Warum gehen selbst die coolen Leute auf der Tanzfläche ab, wenn "Africa" von Toto läuft? Das Lied ist aus dem Jahr 1982! Die Antwort: Es berührt uns emotional – mindestens auf der postironischen Ebene.
Deutschlandfunk-Nova-Reporter Benjamin Weber ist DJ. Vor ein paar Jahren hat er angefangen, auf Partys hin und wieder den Song "Africa" von Toto aufzulegen. Ein Evergreen aus den 80ern. Total ironisch aus seiner Sicht. Die Leute auf der Tanzfläche haben den Song aber voller Pathos abgefeiert - jede Zeile mitgesungen und sich zu Ausdruckstanz hinreißen lassen. Das hat ihm zu Denken gegeben.
"Africa" von Toto: 470 Millionen Aufrufe bei Youtube
Das Lied von Toto ist tatsächlich ein Phänomen, weil es die Menschen packt – über Jahrzehnte hinweg. Es gibt noch zahlreiche Lieder mit ähnlichem Effekt: Queen, Journey oder Foreigner haben einige davon abgeliefert. Aber "Africa" landet unangefochten ganz oben auf der Liste, sofern man die Abrufzahlen bei Youtube als Maßstab nimmt. Allein in den letzten fünf Jahren wurde "Africa" über 470 Millionen Mal angehört. Und das Internet ist voll von Memes und Liebesbekundungen zu diesem Mainstream-Pophit.
Benjamin Weber findet "Africa" von Toto mit seinen großen Melodien und dem mystischen Text maximal kitschig, sagt er. Und er glaubt, so geht es auch den Partygästen. Die wenigsten würden diesen Song wohl privat ernsthaft hören. Aber ein bisschen weniger ernsthaft – so im Partykontext – geht das. Man müsse nur den Faktor Ironie hinzunehmen.
"Durch eine ironische Brechung kann man das dann bedenkenlos abfeiern, ohne dass jemand glaubt, man würde in Wirklichkeit Toto hören."
Wichtig bei All-Time-Classics: Ironie, oder Postironie
Annekathrin Kohout ist Germanistin an der Universität Siegen und beschäftigt sich mit Internetphänomenen und Popkultur. Sie sagt: "Wir leben in einer Zeit zwischen Ironie und Postironie." Im Netz gebe es im Prinzip kaum noch Diskurse, die keine ironische Ebene haben. Und am Beispiel "Africa" von Toto könne man sehr gut erkennen, dass wir diese Art der Naivität oder des Kitsches, wie sie sagt, aber auch der Unmittelbarkeit und Emotionalität nur mit Ironie ausdrücken können.
Damals war gar nichts ironisch an dem Song
Da bei vielen von uns wahrscheinlich schon die Eltern Toto gehört haben, schauen wir mal auf die Zeit, als der Song erschien. Das war 1982. Damals war an "Africa" gar nichts ironisch gemeint. Der Song drückte einfach eine Mischung aus Exotik und Liebes-Sehnsucht aus, sagt Arne Willander, der als Redakteur beim Rolling Stone arbeitet.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir dass dieser All-Time-Classic-Hit von Toto uns auf besondere Weise berührt. Vielleicht, weil wir ihn als Kinder schon gehört haben oder weil wir ihn gerade neu entdecken und fasziniert sind, von diesem besonderen Maß an unmittelbarer Emotionalität. Das Lied bedient eine Sehnsucht nach echten Gefühlen, sagt Annekathrin Kohout: "aber immer noch im Modus der Ironie, weil wir uns noch nicht so richtig davon loslösen können."
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