Naomi Ōsaka hat die French Open abgebrochen. Die Weltranglistenzweite begründet das mit Depressionen und sozialen Ängsten. Eine Sportpsychologin über eine mutige Entscheidung und grundsätzliche Probleme im Profisport.
Naomi Ōsaka hat sich von den French Open zurückgezogen. Sie habe soziale Ängste, sie sei introvertiert, hat sie auf Twitter geschrieben. Die Pressekonferenzen nach den Spielen, die eigentlich für die Spielerinnen und Spieler verpflichtend sind, habe sie nicht mehr gepackt. Seit 2018 ist bekannt, dass die Leistungssportlerin unter Depressionen leidet.
"Dass das jetzt bei Naomi Ōsaka so ausgebrochen ist, das ist, glaube ich, ein recht krasser Einzelfall. Ich finde es eigentlich gut. Ich finde das sehr mutig von ihr."
Ein laufendes Turnier mit dieser klaren Begründung zu verlassen, sei mutig und bislang ein Einzelfall, sagt die Sportpsychologin Marion Sulprizio. Sie sagt: "Viele, die unter Depressionen oder Angststörungen leiden, treten zum Wettkampf gar nicht an, schieben eine Art Cover-Diagnose vor."
Kontrollverlust als Auslöser
Statt psychischer Gründe werden dann beispielsweise Rückenschmerzen oder eine Infektion angegeben, sagt Marion Sulprizio. Sie arbeitet am Psychologischen Institut der Sporthochschule Köln und leitet eine Initiative für psychische Gesundheit im Leistungssport.
Grundsätzlich habe jeder Mensch eine gewisse Verletzlichkeit und Disposition für psychische Erkrankungen. Diese könne genetisch bedingt sein, aber auch durch frühkindliche Erlebnisse und die Erziehung entstehen. Diese Verletzlichkeit schlage dann in einzelnen Momenten durch. Typischerweise seien das Momente des Kontrollverlusts, sagt die Sportpsychologin.
"Sie kann den Ball über das Netz schlagen, so wie die Technik das erfordert. In dem Moment, wo die Journalisten da sitzen, ist die Kontrolle nicht da."
Naomi Ōsaka bezeichnet sich selbst als introvertierten Charakter. Für introvertierte Menschen sei eine Pressekonferenz ohnehin herausfordernd. Es werde in dieser Situation auch seitens des Veranstalters extrovertiertes Handeln erwartet, so benennt Marion Sulprizio den unangenehmen Charakter dieser Situation für Naomi Ōsaka.
"Das ist nicht das, was man machen möchte, wenn man nach einem Tennisspiel ganz erschöpft und emotional vielleicht auch etwas angefressen hinmarschiert."
Grundsätzlich könnten Profisportlerinnen und Profisportler diese Situation üben und dem Gefühl ständiger Bewertung und Beobachtung besser begegnen, sagt Marion Sulprizio. Außerdem könnten auch die Reglementierungen im Leistungssportsystem überdacht werden.
Pressekonferenzen als Gefährdung
Die Sportpsychologin findet es folgerichtig, Sportlerinnen und Sportler zum Auftritt bei Pressekonferenzen nicht zu verpflichten. So lasse sich die psychische Gesundheit von Athletinnen und Athleten wohl effektiv schützen.
"Man ist eigentlich verpflichtet, zu den Pressekonferenzen zu gehen. Kann das nicht auf einer freiwilligen Basis beruhen?
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