Eine Studie an jungen US-Amerikanern zeigt: Junge Menschen mit schwankendem Einkommen sind schlechter im Denken als solche mit stabilen Einkünften. Außerdem ist ihr Gehirn kleiner. Der Studienleiter fordert, dass die Politik etwas für die Verbesserung der Einkommensstabilität junger Menschen tun muss, um vorzeitiger Hirnalterung vorzubeugen.
Um herauszufinden, wie Einkommen und Gehirnleistung zusammenhängen, hat das Forscherteam um den französischen Studienleiter Leslie Grasset eine explorative Langzeitstudie gemacht. Sie verfolgten dafür junge US-Amerikaner durch die wirtschaftliche schwierige Phase um die späten 2000er Jahren, in denen viele Menschen unter finanzieller Instabilität litten.
Die 3287 Probanden, Teil der größeren amerikanischen Studie Cardia, waren zu Beginn der Untersuchung zwischen 23 und 35 Jahren alt. 20 Jahre lang, von 1990 bis 2010, gaben sie alle drei bis fünf Jahre an, wie viel Einkommen sie hatten. Außerdem testeten die Forscher ihre Gedächtnisleistung und ihre Fähigkeit, Aufgaben zu lösen. Ein Teil der Probanden unterzog sich außerdem zu Beginn der Studie und 20 Jahre später einer Gehirnuntersuchung per MRT.
Schwankendes Einkommen und schnellerer Abbau der Hirnleistung gehen Hand in Hand
Das Ergebnis: Die Probanden, die im Untersuchungszeitraum zweimal oder häufiger einen Einkommensverlust erlebten, schnitten bei den Leistungstests schlechter ab als jene Studienteilnehmer, deren Einkommen stabil war. Auch im Vergleich zum durchschnittlichen Leistungsabbau durch ganz normale Alterungsprozesse schnitten sie schlechter ab. Und: Im Vergleich zu den Probanden, die keine Einkommensverluste erlebt hatten, war ihr Gehirn kleiner.
"Das ist ein spannendes Beispiel dafür, das Korrelation nicht gleich Kausalität ist."
Der Neurowissenschaftler Henning Beck warnt davor, daraus falsche Schlüsse zu ziehen: "Nur, weil zwei Sachen zusammen auftreten, heißt das nicht, dass das eine die Ursache für das andere ist." Statt also den vorschnellen Schluss zu ziehen, Menschen mit weniger Geld seien dümmer als solche mit mehr Geld, müsse man um die Ecke denken.
Einkommen kann sich auf den Lebensstil auswirken
Mögliche Ursachen für das Ergebnis wären zum Beispiel, dass Menschen mit schwankendem Einkommen schlechter medizinisch versorgt sind, sich weniger gesund ernähren oder ungesunde Gewohnheiten entwickeln, wie etwa Rauchen oder Saufen. Auch kann finanzieller Druck Stress auslösen, sagt Henning Beck, und der tut dem Hirn auch nicht gut.
Forscher fordern mehr finanzielle Stabilität für junge Menschen
Der Studienleiter Leslie Grasset betont, dass die Studie zwar nicht belegt, dass Einkommensverluste die Gesundheit des Gehirns beeinträchtigen. Die Ergebnisse wiesen aber darauf hin, dass Einkommensschwankungen und Einkommensverluste in den Hauptbeschäftigungsjahren mit einer ungesunden Hirnalterung im mittleren Alter zusammenhingen.
Die Politik in den USA aber auch in vielen anderen Ländern müsse deshalb womöglich für die Verbesserung der Einkommensstabilität sorgen. Auch sollten zusätzlichen Studien unternommen werden, um herauszufinden, welche Rolle soziale und finanzielle Faktoren bei der Alterung des Gehirns spielen.
Tipps für die geistige Fitness – trotz fehlender Kohle
Wenn wir als junge Menschen aber nun mal kein stabiles Einkommen haben, wie können wir geistigem Verfall und Hirnschrumpfung dann vorbeugen? Dauerhafte Gesundheit und Geld müssen nicht zwingend miteinander zu tun haben, beruhigt uns der Neurowissenschaftler Henning Beck. Um Stress und geistigen Abbau zu vermeiden, schreibt er uns folgende Tipps auf die Lebens-To-Do-Liste:
- viele Beziehungen pflegen
- unter Leute gehen
- abwechslungsreich bewegen
- viel lesen
- unterschiedliche Medien nutzen
- humorvoll sein
- neugierig und aufmerksam bleiben
- sich selbst hinterfragen
- und ganz wichtig: Hobbies pflegen
"Das ist das beste Gehirnjogging, was wir machen können", sagt Henning Beck.