Deutschland bereitet sich auf einen möglichen Gasliefer-Stop aus Russland vor. Ein Notfallplan soll regeln, wer im Ernstfall noch Gas bekommt. Doch im Detail ist der noch nicht ausgearbeitet. Sollte im nächsten Winter Gas fehlen, könnte das jeden von uns betreffen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat vor einigen Tagen die Gas-Frühwarnstufe ausgerufen - die erste von drei möglichen Warnstufen im sogenannten "Notfallplan Gas".
"Davon merken wir erstmal nichts", sagt Wirtschaftsjournalist Nicolas Lieven. Bisher liegt noch kein Mangel vor - aber es gibt Hinweise, dass sich die Versorgungslage extrem verschlechtern könnte.
Viele Gespräche im Hintergrund
Im Hintergrund finden nun viele Gespräche statt, zwischen Bundesregierung, Experten aus der Energiebranche, Netzbetreibern und der Bundesnetzagentur. Auch mit Städten und Kommunen sucht man das Gespräch, so Nicolas Lieven, um ein genaues Lagebild zu erhalten.
"Wo und an welchen Stellen können wir noch einsparen, wie krisensicher ist das System und vor allem: Wie können wir schnell reagieren, wenn es tatsächlich zum Ernstfall kommen sollte?"
Die Alarmstufe und die Notfallstufe des Notfallplans werden erst dann ausgerufen, wenn wir weniger Gas bekommen, als wir brauchen - zum Beispiel, wenn einzelne Pipelines dicht gemacht werden.
Dabei gibt es vor allem technische Dinge zu beachten, sagt Nicolas Lieven. Etwa, dass der Druck im Gasnetz überall ausreichend bleibt. Im Notfall wird die Bundesnetzagentur zum "Bundeslastverteiler", so der Wirtschaftsjournalist: "Und die entscheidet dann, wer noch Gas bekommt und vor allen Dingen wie viel".
Bestimmte Einrichtungen sind besonders geschützt
Der "Notfallplan Gas" legt fest, wer noch beliefert wird, wenn das Gas nicht mehr für alle ausreicht. So sind laut Artikel 6 private Verbraucher, soziale Dienste wie Krankenhäuser, Heime oder Gefängnisse, Fernwärmeanlagen, Polizei und Feuerwehr besonders geschützt.
"Es gibt Unternehmen, die haben in der Vergangenheit relativ günstig Gas bekommen, und zwar unter der Auflage, dass wenn so ein Fall eintritt, sie dann als erste abgestellt werden."
Die Bundesnetzagentur soll im Detail Kriterien aufstellen, nach denen auch Unternehmen vom Netz genommen werden können. Manche Unternehmen müssten sich darauf einstellen, sagt Nicolas Lieven. Andere haben lange Lieferketten oder sind Zulieferer für wichtige Branchen und quasi unverzichtbar.
Doch bis ins Detail stehe das alles noch gar nicht fest. Im Prinzip müsse man immer im Einzelfall schauen: Ist das Unternehmen verzichtbar oder nicht? Und genau da ist Nicolas Lieven skeptisch. Nur 65 Mitarbeiter seien bei der Bundesnetzagentur mit dieser Aufgabe betraut - zu wenig, vermutet der Wirtschaftsjournalist.
Schlüsselunternehmen das Gas nicht abdrehen
Klar sei jedenfalls: Den ganz großen Schlüsselunternehmen im Land könne man den Gashahn nicht einfach zudrehen. Beispiel BASF: Das Unternehmen sei in so vielen Bereichen so stark vernetzt, dass ein Ausfall sich in vielen weiteren Branchen bemerkbar machen würde.
"BASF stellt so viele Dinge her - für die Textilindustrie, Waschmittel, Hygieneartikel, Farben, Lacke, Pflanzenschutzmittel" - da könne man nicht sagen, "ihr kriegt von heute auf morgen kein Gas mehr", so Nicolas Lieven.
"Mit 10.000 Kilowattstunden heizt du nach Statistik eine 80m2-Wohnung. Für ein Haus brauchst du 20.000 Kilowattstunden, hast also, auch wenn du geschützt bist, nur noch die Hälfte."
Auch uns als Endverbraucher könnte ein Gasliefer-Stopp direkt betreffen. Zwar zählen Privathaushalte zu den besonders geschützten Gruppen, allerdings nur bis zu einem Verbrauch von 10.000 Kilowattstunden im Jahr. Wenn Deutschland im kommenden Winter also Gas fehlt, könnten manche nicht mehr ausreichend heizen.
Privathaushalte nicht gänzlich ausgenommen
Dieses Szenario der "Gasmangellage" hat man vor vier Jahren einmal durchgespielt - und das Ergebnis war erschreckend, so Nicolas Lieven: "Am Ende kam raus: Man ist nicht vorbereitet." Die Häuser wären nicht mehr beheizbar gewesen, die Krankenhäuser überlastet durch erkrankte Menschen. Danach habe es viele Empfehlungen gegeben, was zu tun wäre. "Branchen-Insider haben mir aber gesagt, davon wurde kaum etwas umgesetzt."
"Wenn wir Privathaushalte mitsparen, dann helfen wir dabei, die Industrie zu entlasten und auch, uns unabhängiger zu machen."
Das Gebot der Stunde lautet jedenfalls: Jeder sollte jetzt Energie sparen, so gut er kann. Bei Privathaushalten sei noch Luft nach oben, meint Nicolas Lieven - während die meisten Unternehmen schon aus Gründen der Wirtschaftlichkeit Energie sparen, so gut es geht.
Die Heizung runterdrehen, kann schon etwas bringen: Ein Grad weniger spart etwa 6 Prozent der Energiekosten. Wir alle seien jetzt gefordert, so der Wirtschaftsjournalist - auch wenn wir uns in den vergangenen Jahren nicht unbedingt Gedanken um verfügbare Energie machen mussten.