Im Prinzip bestreitet Beate Zschäpe in ihrer Aussage jede Beteiligung an den Taten des NSU. In ersten Reaktionen bewerteten die Nebenkläger die Aussage als taktisch und konstruiert.

Kompakt hatte der neue Pflichtverteidiger von Beate Zschäpe ihre Aussage verlesen. Zur Erinnerung: Beate Zschäpe ist angeklagt als Mittäterin an allen Verbrechen der Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund beteiligt gewesen zu sein. Darunter zehn Morde in den Jahren 2000 bis 2007, zwei Sprengstoffanschläge, Beteiligung an 15 Banküberfällen, sowie die Gründung einer terroristischen Vereinigung.

Keine Kenntnis, keine Beteiligung

Prozessbeobachter und Terrorismusexperte Holger Schmidt schätzt den Auftritt vor Gericht als einen durchschaubaren Versuch ein, sich aus der Affäre zu ziehen. Die Verteidigungsstrategie scheint klar: Zschäpe als Unbeteiligte darzustellen und Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt als Alleintäter. In ihrer Version habe sie stets im Nachhinein von den Taten erfahren, die Morde verurteilt, sich aber aus Angst nicht trennen können. Ihre Aussage im Einzelnen:

  • Ermordung Enver Simsek: Am 9. September 2000 wurde der türkische Blumenhändler Enver Simsek in Nürnberg erschossen. Zschäpe ließ erklären, dass sie erst Monate später davon erfahren habe und sich daraufhin stellen wollte. Aus Druck habe sie es nicht getan. Das Motiv für den Mord kenne sie nicht.
  • Die Morde an Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık, Halit Yozgat: Zschäpe bestreitet jede Beteiligung an den Morden und ihrer Vorbereitung. Sie will auch vor den Taten keine Informationen über deren Planung gehabt haben.
  • Ermordung der Polizistin Michele Kiesewetter: Am 25. April 2007 wurde die Polizistin in Heilbronn erschossen, ihr Kollege schwer verletzt. Als Motiv nannte Zschäpe, dass Bönhardt und Mundlos, die Polizeiwaffen stehlen wollten.
  • Bomben-Anschlag in der Keupstraße: Der Kölner Anschlag vom 9.Juni 2004 sei eine willkürliche Aktion von Mundlos und Böhnhardt gewesen. Vom Bau der Bombe habe sie nichts mitbekommen.
  • NSU-Beteiligung: Sie sei weder damals noch später je Mitglied des Nationalsozialistischen Untergrunds gewesen. Der Name sei zudem die alleinige Erfindung von Uwe Mundlos.

Auch in ihrer Entschuldigung an die Opfer stellt sie Mundlos und Böhnhardt als alleinige Täter dar.

"Ich entschuldige mich aufrichtig bei allen Opfern und allen Angehörigen der Opfer der von Mundlos und Böhnhardt begangenen Straftaten."
Beate Zschäpe

"Für Zschäpe war es offensichtlich ein wichtiger Tag", sagt Prozessbeobachter Holger Schmidt. Im Gegensatz zu vorigen Verhandlungstagen gab sie sich selbstbewusst und wich den Fotografen nicht aus. Bei den Hinterbliebenen und Anwälten der Opfer sorgte ihre Aussage für Empörung: Wie kann es sein, dass sie über Jahre von den Taten erst im Nachhinein erfahren habe? Und warum äußert sie sich erst jetzt?

Mehmet Daimagüler, NSU-Opferanwalt
"Ich habe das Gefühl, dass wir eineinhalb Stunden an einer Art Volksverdummung teilgenommen haben."

Zschäpes Einlassung wird das Gericht nun mit den Fakten abgleichen müssen. Schon jetzt äußerten Prozessbeobachter und -beteiligte Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Aussage. "Dieser Aussage glaube ich kein Wort", sagte Nebenklägerin Gamze Kubasik, "meine von vornherein geringen Hoffnungen, dass mit dieser Erklärung endlich die genauen Umstände des Mordes an meinem Vater aufgeklärt werden, sind enttäuscht". Neue Informationen über Motive oder Tathergänge gab die Angeklagte in ihrer Aussage kaum.

Gamze Kubasik am 9.12.2015.
© dpa
Nebenklägerin Gamze Kubasik hatte sich von den Aussagen zumindest ein paar neue Informationen erhofft. Viele Hinterbliebene bezeichneten die Aussage als "Schlag ins Gesicht". Nachfragen durch die Nebenkläger wurden nicht zugelassen.

Bis der Prozess am nächsten Dienstag regulär weitergeht, bleibt Zeit für Fragen. Allerdings sollen alle Nachfragen zu sachlichen Inhalten schriftlich erfolgen, forderte Beate Zschäpes Pflichtverteidiger Mathias Grasel. Nach Einschätzung des Terrorismus-Experten Holger Schmidt wird ihre Aussage den Prozess zusätzlich verlängern.

Shownotes
Zschäpes Aussage im NSU-Prozess
Eine Frage der Taktik
vom 09. Dezember 2015
Moderation: 
Sonja Meschkat
Gesprächspartner: 
Holger Schmidt, Terrorismusexperte