Genießen, ohne dabei gut zu sein oder besser werden zu müssen, das war für Alicia lange Zeit nicht mal bei Hobbys möglich. Nina ist Gesangslehrerin und sagt, dass wir stimmlich erst richtig zum Ausdruck kommen, wenn wir uns vom Leistungsdruck lösen.
Sich beim Yoga das Bein gekonnt hinter den Kopf legen, beim Rennradfahren einen Zack schneller sein als die Mitfahrer*innen oder beim Fotografieren das Licht besonders gut einfangen – es gibt schon Hobbys, bei denen wir schnell unter Performancedruck geraten können.
Sich das Genießen wieder erlauben
Doch unter Druck setzen können wir uns immer – vorausgesetzt, wir sind überzeugt, immer produktiv sein zu müssen. Bei Alicia war das sogar beim Lesen so. Sie zog sich Sachbücher und Selbsthilfebücher im Wechsel rein. Lesen, nur um zu genießen oder Spaß zu haben, war für sie undenkbar.
Dass ihr das nicht unbedingt guttat, darauf brachte sie eine Frage ihrer Therapeutin: Haben Sie eigentlich Hobbys? Nee, musste Alicia eingestehen. Irgendwie musste alles, was sie tat – selbst die Freizeit – einen Sinn haben.
"In meinem Kopf war es lange Zeitverschwendung, einen Roman nur aus Vergnügen zu lesen."
So kam es, dass Alicia das Lesen neu für sich entdeckte. Sie switchte von Sachbüchern zu Fantasy-Romanen, ein Genre, von dem sie bis dahin nie gedacht hätte, dass es ihr gefallen könnte. Inzwischen liest sie nicht mehr nur, sie zelebriert es förmlich. Vor allem sonntags macht sie es sich auf der Couch gemütlich, inklusive kuscheliger Decke und Kerzenschein. Und dann taucht sie ein in eine andere Welt.
Verbissenheit bei Hobbys rausnehmen
Unter der Woche versucht Alicia 30 Minuten täglich zu lesen. Aber sie sagt auch, dass sie aufpassen muss, daraus kein Muss zu machen.
"Eigentlich muss ich mir nicht extra viel Zeit fürs Lesen freischaufeln. Ich gucke dafür weniger Netflix, und das tut mir echt gut."
Leistungsdruck in Kombination mit einem Hobby oder einer Leidenschaft kennt auch Nina. Sie ist Sängerin und Gesangslehrerin. Viele der Leute, die zu ihr kommen, stehen unter Stress, gesanglich performen zu müssen, sagt sie. Oder aber sie werden von der Angst geplagt, es nicht gut genug zu können. Doch genau dieser Druck verhindert, dass die Stimme sich entfalten kann, erklärt Nina.
Stress verhindert Stimmentfaltung
Wenn wir angespannt sind, atmen wir flach. Doch eine flache Atmung begrenzt uns stimmlich. Deswegen beginnt der Gesangsunterricht bei Nina mit Atemübungen. Das Ziel: mental und körperlich lockerlassen.
"Wenn wir Spaß an etwas haben, werden wir automatisch besser, weil uns eine andere Motivation antreibt."
Natürlich kommen die Menschen zu Nina, um singen zu lernen oder um noch bessere Sänger*innen zu werden, ein Leistungsgedanke ist also durchaus dabei. Sich steigern zu wollen, ist auch gar kein Problem, meint Nina. Kritisch sieht sie, wenn es einzig darum geht, wie Beyoncé oder Adele werden zu wollen. Denn dann geht es um den Vergleich mit einem Ideal, vielleicht auch um Anerkennung, aber nicht darum zu sehen, wozu man selbst in der Lage ist.
"Am Ende geht es nicht darum, einen Ton perfekt zu treffen, sondern um das Gefühl, das das Singen in einem auslöst."
Übrigens meint Nina, dass alle singen können. Techniken können natürlich helfen, die Stimme gekonnter einzusetzen. Doch aus Ninas Sicht geht es beim Singen vielmehr darum, Spaß zu haben und den eigenen Emotionen freien Lauf zu lassen. Wenn man es so sieht, spielt es wirklich keine Rolle, ob wir singen wie Adele oder doch wie Julia Roberts in der Badewanne im Film "Pretty Woman".
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