Das medizinische Wissen nimmt zu, die Anzahl der Ärzte geht zurück. Künftig wird es für Kranke schwerer sein, den passenden Arzt in ihrer Nähe zu finden. Ein Versorgungsengpass scheint unausweichlich.

Zweieinhalb Millionen Menschen sitzen in Deutschland täglich in den Wartezimmern der Arztpraxen. In Zukunft könnte die Versorgung schwieriger werden, weil die Zahl der praktizierenden Ärzte zurückgeht. Zudem verdoppelt sich das medizinische Wissen alle paar Jahre, sagt Dr. Johannes Wimmer. Ein immer komplexeres Gebiet, was es somit für einen Arzt zu überblicken gilt.

"In anderen europäischen Ländern gibt es diverse Internetportale, wo auch echte Ärzte sitzen. Wenn es darum geht, dass ein Patient seinem Hausarzt auch nur die Geschichte seiner Krankheit erzählen würde, kann man das auch online anbieten."

Es ist damit zu rechnen, dass sich Ärzte künftig immer weiter spezialisieren werden. Die rückläufige Zahl der Doktoren und die zunehmende Spezialisierung führen dazu, dass es für Patienten schwerer wird, den passenden Arzt zu finden. Möglicherweise praktiziert der gesuchte Mediziner in einer Stadt, die mehrere hundert Kilometer vom Wohnort des Kranken entfernt liegt.

"Entweder müssen Ärzte einfach wieder mehr rotieren oder mit dem Ärztebus durch die Gegend fahren, für die Patienten, die immobil sind."

In Zukunft sollte der Hausarzt die Aufgabe eines Lotsen übernehmen, sagt Dr. Johannes Wimmer. Er hilft dem Erkrankten dann dabei, den passenden Spezialisten zu finden. Oder er gibt dem Patienten Apps, Gadgets, Medikamente und Anleitungen an die Hand, damit er sich selbst behandeln kann.

Der Arzt überwacht dann die Entwicklung der Krankheit und bestellt den Betroffenen ein, falls er nicht gesund wird oder der Gesundheitszustand sich verschlechtert. Dadurch könnte der Arzt Zeit sparen, um die größer werdende Anzahl von Patienten pro Arzt behandeln zu können.

"75 Prozent der Patienten gehen erst mal ins Internet, bevor sie zum Arzt gehen. Die einzigen, die online fehlen, sind aber die Ärzte."

Auch mobile Behandlungen durch Ärzte, die in einem Bus umherfahren, sind vorstellbar. Vor allem auf dem Land fehlen Ärzte. Eine andere Möglichkeit: Die Beratung und Behandlung per Skype und Internetportalen wird künftig ausgebaut. Allerdings sieht das Gesetz bisher vor, dass der Erstkontakt zwischen Arzt und Patienten persönlich erfolgt. Nachdem das passiert ist, kann auch telefonisch geholfen werden. An der Uniklinik in Hamburg beurteilen Ärzte beispielsweise jetzt schon chronische Wunden anhand von Fotos, die die Erkrankten ihnen zusenden. Die Bilder helfen den Medizinern zu entscheiden, ob sie den Patienten im Krankenhaus behandeln müssen oder nicht.

Shownotes
Patientenversorgung
Erst ins Netz, dann zum Arzt
vom 04. Juni 2016
Moderator: 
Thilo Jahn
Gesprächspartner: 
Johannes Wimmer, Arzt