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Kurz vor den Olympischen Spielen wird ein Video öffentlich, in dem Dressurreiterin Charlotte Dujardin ein Pferd schlägt. Immer wieder gibt es solche Fälle im Pferdesport. Reit-Trainerin Lara will es anders machen. Wann ist der Einsatz von Gerte oder Sporen okay – und wann geht er zu weit?

Es ist vier Jahre alt, taucht kurz vor Beginn der Olympischen Spiele in Paris auf und hat für die Sportlerin drastische Konsequenzen: Ein verwackeltes Handyvideo zeigt die britische Dressurreiterin und Olympiasiegerin Charlotte Dujardin, wie sie immer wieder auf ein Pferd einschlägt. Mehr als zwanzig Mal. Das Pferd reagiert angespannt und gestresst auf die Schläge.

Zwar hatte sich die Spitzensportlerin nach Veröffentlichung des Videos entschuldigt, dennoch wurde sie vom Weltreiterverband vorläufig suspendiert. Das heißt: Eine Teilnahme an den Olympischen Spielen in Paris ist für Charlotte Dujardin nicht mehr drin. Bereits bei Olympia 2021 hat es einen Skandal im Pferdesport gegeben. Damals ging es um die deutsche Fünfkämpferin Annika Schleu, die während des Wettbewerbs auf ihr Pferd schlug.

Bewusstsein über Gewalt an Pferden erhöhen

Gerte, Sporen und auch eine Peitsche im Pferdesport einzusetzen ist grundsätzlich üblich. Im Prinzip handelt es sich bei einer Reitgerte um einen flexiblen Stock, mit dem das Pferd angetippt werden kann, sagt Sportjournalistin Nora Hespers. Wie diese Hilfsmittel zur Anwendung kommen, werde in der Realität aber sehr unterschiedlich gehandhabt, ergänzt sie.

"Der heftige Einsatz von Peitsche, Sporen und Gerte sind keine Einzelfälle."
Nora Hespers, Sportjournalistin

Nora Hespers reitet selbst und hat als Journalistin zu Gewalt im Pferdsport recherchiert. Sie sagt: Wir sehen den heftigen Einsatz von Peitsche, Sporen und Gerte überall. Es werde in Reitställen geduldet und zum Teil unterrichtet.

Über den Einsatz dieser Hilfsmittel steht in den Richtlinien der Deutschen Reiterlichen Vereinigung dezidiert, dass sie nur in die Hand von erfahrenen Reiterinnen und Reitern gehören, die auch entsprechend ausbalanciert sind. So formulieren es auch die Empfehlungen für den Reitsport vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, sagt Nora Hespers.

Standards dürfen nicht nur auf dem Papier gelten

Diese Standards zu kennen und sich an sie zu halten, findet Nora Hespers wesentlich. Nur so könne weitestgehend verhindert werden, dass dem Pferd kein Leid zugefügt wird. Die Frage, wann im Pferdesport von Tierquälerei die Rede sein kann, findet sie schwer zu beantworten.

Denn Tierquälerei meint das bewusste und vorsätzliche Zufügen von Schmerzen. Das unterstellt die Sportjournalistin den meisten Reiter*innen und Trainer*innen keinesfalls, aber sie stellt infrage, inwiefern sich an die sogenannte Ausbildungsskala gehalten wird. Die gibt vor, wie bestimmte Übungen und das Training über Jahre aufgebaut werden sollen. Wenn bestimmte Dinge dem Pferd aber zu früh abverlanget werden, ist das Pferd darauf muskulär nicht vorbereitet. Und dann kann das Tier nur mit Krafteinsatz, wie Nora Hespers es nennt, dazu gebracht werden.

"Die meisten Reiter*innen machen es nicht vorsätzlich, aber es fehlt ein Bewusstsein dafür, wo Gewalt anfängt."
Nora Hespers, Sportjournalistin

Nora Hesters sagt, dass es eine Diskussion darüber braucht, wo Gewalt anfängt, aber auch über einen sachgemäßen Umgang mit Gerte und Sporen. Denn ihr Einsatz ist automatisch gewaltvoll. Es komme auf das Wie an. Gleichzeig gibt es Reiter*innen, die den Einsatz der Gerte reduzieren oder sogar ganz auf sie verzichten.

"Ich sehe Menschen, die mit Pferden ohne Gerten und Sporen kommunizieren. Vielleicht müsste man sich bei denen einfach mal stärker abgucken, wie sie das machen."
Nora Hespers, Sportjournalistin

Lara Tauer ist so seine Reiterin und Reitlehrerin. Sie hat einen Hof im Hunsrück. Ihr Ziel ist, Pferde respektvoll, artgerecht und gewaltfrei leben zu lassen. Sporen und Gerte benutzt sie zwar, aber so wenig wie möglich, sagt sie.

Wie geht artgerechte Pferdehaltung?

Wenn Laura Tauer über den Umgang mit Pferden spricht, meint sie nicht nur auf den Einsatz von Hilfsmitteln, sie meint die verbale und nonverbalen Kommunikation. Dazu zählt, das Pferd nicht zu verurteilen oder anzuschreien, wenn es nicht das macht, was Trainer*innen oder Reiter*innen von ihm wollen. Denn das passiere bisher viel zu oft, nicht nur im Reitsport.

Lara Tauer gibt ein Beispiel: Es kann sein, dass das Pferd bei der Hufpflege nicht richtig steht. Doch das muss nicht bedeuten, dass es widerspenstig ist, sondern dass es vielleicht gerade sein Gleichgewicht verliert.

"Es wird sehr schnell geglaubt, dass das Pferd einen verarschen will. Dabei ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass Pferde das gar nicht können."
Laura Tauer, Reiterin

Mut, altbewährte Methoden zu hinterfragen

Um etwas im Umgang mit Pferden zu verändern, müssten also die Überzeugungen – will es mich wirklich verarschen, wenn es mir nicht folgt? – hinterfragt werden, sagt die Reittrainerin. Außerdem ist es hilfreich, das Pferd in seinem Wesen kennen- und damit verstehen zu lernen. Pferde sind von Grund auf sehr harmoniebedürftige und machen viel mit, erklärt Lara Tauer. Ihrer Erfahrung nach lassen sie sich sehr vieles erklären.

Denn es geht nicht darum, auf den Einsatz von Hilfsmitteln zu verzichten oder sie gar zu verbieten, da sind sich die Sportjournalistin Nora Hespers und die Reittrainerin Lara Tauer einig. Hinterfragt werden müsste ihr Einsatz aber durchaus. Und zwar vor allem im Profibereich, betont Nora Hespers kritisch. Am Ende könnten nämlich gerade dem Reitsport die Veränderungen zugutekommen, sagt die Sportjournalistin. Denn die Angst, dass Reiten in Folge all der Vorfälle in Zukunft nicht mehr olympisch sein könnte, ist groß.

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de

Shownotes
Dressurreiten
Pferde bei Olympia: Wo beginnt Tierquälerei?
vom 29. Juli 2024
Moderation: 
Nick Potthoff
Gesprächspartnerinnen: 
Nora Hespers, Sportjournalistin
Lara Tauer, Reiterin und Reitlehrerin
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