In Deutschland gibt es zu wenig Pflegefachkräfte. Der Mangel wächst. Etwa fünf Millionen Menschen benötigen Pflege. Eine Million Menschen arbeiten in dem Bereich. Die Politik sollte alles tun, um Leute in den Beruf zu holen, sagt Dörte Heger.

Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) werben in Südamerika um Fachkräfte. In Brasilien haben beide eine Absichtserklärung für "faire Einwanderung" unterzeichnet. Die Bundesagentur für Arbeit meint, dass jedes Jahr 700 neue Pfleger*innen aus dem südamerikanischen Land nach Deutschland kommen könnten.

Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland reicht nicht

Dörte Heger ist stellvertretende Leiterin des Kompetenzbereich Gesundheit am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen. Sie erklärt, dass 700 ausgebildete Pflegefachkräfte nur ein Anfang sein können. Momentan gebe es einen so starken Fachkräftemangel, "dass manchmal sogar die Plätze in Pflegeheimen nicht besetzt werden oder ambulante Dienste keine neuen Pflegebedürftigen aufnehmen können", sagt Dörte Heger.

Die Politik in Deutschland müsse alles dafür tun, möglichst viele Menschen für Pflegeberufe zu gewinnen. Bei Geflüchteten bestehe großes Interesse, in der Pflege zu arbeiten. Daher sollte die Politik diesen Menschen den Zugang zu Sprachschulungen und Weiterbildungen ermöglichen, damit diese Menschen beschäftigt werden können.

"Ich glaube, dass das Wichtigste die Unterstützung bei der Anerkennung von Abschlüssen ist. Da sollte man zu schnellen Verfahren kommen, die das dann für alle Beteiligten erleichtern."
Dörte Heger, stellvertretende Leiterin des Kompetenzbereich Gesundheit am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung

In Deutschland gebe es mehr als fünf Millionen pflegebedürftige Menschen. Mehr als eine Millionen Menschen arbeiten bereits in der Pflege. "Da sind die Familienangehörigen noch nicht eingerechnet, die das einfach so machen", sagt Dörte Heger. Deutschland werde in Zukunft noch weit mehr Pflegekräfte brauchen. Sie berechnet den Bedarf an Pflegerinnen und Pfleger auf mehr als 100.000 Personen.

"Wegen des hohen Bedarfs an Pflegenden in Deutschland muss man einfach mehrgleisig fahren. Geflüchtete, Ausgebildete aus Brasilien oder anderen Ländern werden gar nicht ausreichen."
Dörte Heger, stellvertretende Leiterin des Kompetenzbereich Gesundheit am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung

Deswegen sollte die deutsche Politik Personen aus der Pflegebranche schützen, "damit die nicht wegen Krankheit aus dem Beruf ausscheiden oder wechseln, weil es ihnen nicht mehr gefällt." Laut Dörte Heger müssen die Verantwortlichen aus der Politik außerdem versuchen, den Pflegeberuf attraktiver zu machen und gezielt Leute ansprechen, beispielsweise in Schulen.

Pflege attraktiver machen

Sie weist darauf hin, dass der Lohn schon gestiegen sei. Doch die Bezahlung allein sei nicht entscheidend, dass sich jemand für den Berufsweg in Pflege entscheide. Bislang fehle aber der politische Wille als auch das Geld, um die Pflegebranche attraktiver für potenziell Interessierte zu machen.

Dörte Heger: "Man muss auch das Arbeitsumfeld der Pflege attraktiv machen. Die Leute, die möglicherweise aus Brasilien nach Deutschland kommen, haben teilweise an der Uni studiert. Man muss auch die Akademisierung der Pflege weitertreiben. Man muss überlegen, ob man Aufgaben von Ärzten delegieren kann. Kann man die Bürokratie so verringern, dass die Fachkräfte mit den Menschen arbeiten können – und nicht nur dasitzen und Papierkram machen."

Shownotes
Fachkräftemangel
Wie sinnvoll es ist, Pflegefachkräfte aus Brasilien zu holen
vom 06. Juni 2023
Moderatorin: 
Diane Hielscher
Gesprächspartnerin: 
Dörte Heger, stellvertretende Leiterin des Kompetenzbereichs Gesundheit am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen