In der Netflix-Serie Mindhunter befragen Profiler Serienmörder, um dabei psychische Muster zu erkennen und so Verbrechen aufzuklären. Die Story basiert zwar auf wahren Begebenheiten, aber es ist längst klar, dass das in der Realität so nicht klappt.
USA, 70er-Jahre. Zwei FBI-Agenten befragen Serienmörder mit dem Ziel, die Psyche von Killern besser zu verstehen und so unaufgeklärte Mordfälle zu lösen oder gar neue Verbrechen zu verhindern. Tatsächlich basiert die Handlung der Netflixserie Mindhunter auf wahren Begebenheiten. Eine der Hauptrollen ist an John E. Douglas angelehnt, einem früheren FBI-Fallanalytiker, der über seine Arbeit später Bestseller schrieb. Auch die in der Serie befragten Killer gab es wirklich, und Befragungen in der Serie basieren auf tatsächlichen Interviews, die das FBI damals geführt hat.
"If you want to learn about violent crime, talk to the experts."
Nur: Durch solche recht oberflächlichen Befragungen Serienmörder zu verstehen, funktioniert nicht, erklärt die Kriminalpsychologin Lydia Benecke. Als Straftätertherapeutin ist ihr Spezialgebiet die Therapie von Sexual- und Gewaltstraftätern.
Über Jahre triff sie sich mit ihnen im Gefängnis oder nach ihrer Entlassung und führt lange Gespräche mit dem Ziel, die Rückfallwahrscheinlichkeit zu minimieren. Man darf also sagen: Lydia Benecke kennt sich ziemlich gut aus mit der Psyche von Menschen, die Menschen etwas antun.
Die Psyche von Mördern ist komplexer als in Serien dargestellt
Die FBI-Agenten damals seien etwas naiv an die Sache herangegangen sagt sie, und räumt gleichzeitig aber ein, dass die Kriminalpsychologie in den 70ern noch nicht so weit war wie heute. John E. Douglas habe die Systematik von Persönlichkeitsstörungen - also Besonderheiten im Fühlen, Denken und Handeln - bei Serienmördern unterschätzt.
"Die sind erstens mal oft nicht ehrlich, die sind extrem manipulativ, und die haben auch oft überhaupt keinen vernünftigen Zugang zu ihren Gefühlen und Motiven. Das heißt, die stehen oft selbst so ein bisschen wie vor einem Rätsel vor sich."
Als Therapeutin beobachte sie immer wieder, dass Täter anfangs selbst nicht verstehen, warum sie getötet oder anderen Gewalt angetan haben. Viele seien nicht ehrlich und sehr manipulativ. Am Anfang von Therapien höre sie meist viele Entschuldigungen, Rechtfertigungen und Schuldzuweisungen an andere. Die Agenten damals sprachen aber nur verhältnismäßig kurze Zeit mit den Tätern. Und auch nur mit denen, die bereit waren, mit ihnen zu sprechen, was die ohnehin kleine Stichprobe schon verfälscht habe.
Gewaltverbrecher verstehen sich oft selbst nicht
An die Tiefe der Psyche kommt man in kurzer Zeit nicht heran, so die Kriminalpsychologin, die selbst oft jahrelang mit den Tätern arbeitet, mindestens aber über eineinhalb Jahre mit ihnen Therapiegespräche führt. Diese Dauer sei vor allem auch nötig, weil die Täter am Anfang oft sich selbst und andere stark belügen und viel manipulieren. Ihr Job ist es, sie zu motivieren, hinter ihre eigenen Strategien zu blicken, erklärt sie. Rückblickend merke man nach einer Therapie dann oft, dass die Gewaltverbrecher vieles über sich selbst nicht wussten, es oft auch nicht wissen wollten.
"Es klingt irgendwie spannend und griffig und auch so prägnant nachvollziehbar, und es kommt auch total super in Filmen und Serien, aber in der Realität sind Menschen und auch Täter oft ein bisschen komplexer."
Douglas wollte sofort etwas herausfinden. Er schmeichelte den Tätern, erklärt Lydia Benecke, damit sie offen reden. Durch dieses Schmeicheln habe er aber ihren Narzissmus gefüttert und sie motiviert, ihm genau das zu liefern, was er hören wollte.
Profiling braucht viel Zeit
Kurz: Die Psyche von Serienmördern ist komplexer als die Ermittler sich das damals vorstellten und als Serien und Filme es heute präsentieren, sagt die Kriminalpsychologin. Um zu verstehen, wie Täter ticken, ist lange und intensive Arbeit notwendig. Und viele Annahmen von damals, die sich noch heute in Thrillern und Crime-Serien finden, sind längst widerlegt. Auch Douglas' Arbeit wurde von Wissenschaftlern viel kritisiert, sagt Lydia Benecke.
"Das wird auch von anderen Wissenschaftlern kritisiert, dass die oberflächlichen FBI-Gespräche häufig gar nicht geschafft haben, die ganzen Aspekte der Persönlichkeitsstörungen zu durchdringen und dahinter zu blicken."
Einen praktischen Tipp gibt sie am Ende des Interviews - für den Fall, dass ihr es mal im wahren Leben mit Profilern zu tun habt: Der Begriff Profiler ist in Deutschland nicht geschützt, im Prinzip kann sich jeder so nennen. Wenn ihr also einer Profilerin oder einem Profiler über den Weg lauft, schaut euch erstmal ganz genau deren Lebenslauf an.
Operative Fallanalyse: Täterkreis per Statistik eingrenzen
Am nächsten kommen dem Profilerjob à la Crime-Serie hierzulande Kriminalpsychologen und die sogenannte Operative Fallanalyse. Die nutzt allerdings hauptsächlich statistische Erkenntnisse, um den Täterkreis einzugrenzen. Dabei geht es nicht um tiefe Psychologie sondern um äußere Merkmale. Zum Beispiel: Wie wahrscheinlich ist es, dass der Täter Single ist oder nicht, einen Job hat oder nicht, alt ist oder jung?
In den allermeisten Fällen aber braucht es überhaupt keine Profiler - denn Morde werden nur in ganz wenigen Fällen von Fremden verübt, fast alle Mörder stammen aus dem direkten Umfeld ihrer Opfer. Die häufigsten Motive: Wut, Habgier, Eifersucht.