Wer eine Mund-Nase-Maske trägt, könnte sich gut geschützt fühlen und leichtsinnig werden. Das wiederum könnte dazu führen, dass sich mehr Leute mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 anstecken. Forschende haben untersucht, ob wir mit Maske tatsächlich mehr riskieren.

Schlüssel, Portemonnaie, Handy - und Maske! Inzwischen haben wir uns daran gewöhnt, dass wir sie dabei haben müssen. Es gibt ja auch inzwischen reichlich Hinweise darauf, dass der Mund-Nasen-Schutz wirklich hilft, die Pandemie einzudämmen. Am Anfang war da viel Skepsis. Ein Argument lautete: Wenn Menschen Masken tragen, werden sie an anderer Stelle unvorsichtiger – halten zum Beispiel weniger Abstand. Risiko-Kompensation heißt dieses Phänomen, sagt Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Aglaia Dane und führt als Beispiel den Fahrradhelm an. Fahren Radfahrer mit Helm unvorsichtiger?

"Ein verbreitetes Beispiel: Ich kaufe mir einen Fahrradhelm, habe das Gefühl, geschützter zu sein und fahre deshalb schneller."
Aglaia Dane, Deutschlandfunk-Nova-Reporterin

Der Begriff Risiko-Kompensation stammt aus der Arbeits- und Verkehrspsychologie. Wir sind ein gewisses Risiko-Level gewöhnt, mit dem wir uns wohlfühlen. Sobald wir in einem bestimmten Bereich vorischtiger sind und Vorkehrungen treffen, werden wir in einem anderen sorgloser.

Forschende der Uni Cambridge haben untersucht, ob wir als Gesellschaft kollektiv sorgloser werden, wenn wir Masken tragen. Genau vor diesem Effekt hat die Weltgesundheitsorganisation zu Beginn der Corona-Pandemie gewarnt.

Konzept der Risiko-Kompensation wird infrage gestellt

Die Forschenden haben ihre Studie im British Medical Journal veröffentlicht. Bei ihrer Untersuchung haben sie keine Belege dafür gefunden, dass Menschen, die eine Maske tragen, sich unvorsichtiger verhalten. In einer Meta-Studie haben sie andere Untersuchung zum Tragen von Masken und zum Einhalten des Abstands ausgewertet. Sechs Studien zum Tragen einer Gesichtsmaske und zur Handhygiene haben keine Hinweise darauf geliefert, dass Menschen mit Mund-Nase-Maske nachlässiger seien als ohne. Es sei sogar eher das Gegenteil der Fall.

Zwei Drittel der Deutschen tragen Maske

Die Studien, die das Einhalten des sozialen Abstands untersuchen – diese wurden bisher allerdings noch nicht von Fachleuten geprüft – stützen die Ergebnisse der anderen Studien. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass Menschen sich von anderen eher fernhalten, wenn diese Masken tragen.

"Die Psychologin, die die Studie geleitet hat, schreibt, dass man das Konzept der Risiko-Kompensation aus ihrer Sicht zu den Akten legen sollte."
Aglaia Dane, Deutschlandfunk-Nova-Nachrichtenredaktion

An dem Konzept der Risiko-Kompensation kommen Zweifel auf. Das legen weitere Untersuchungen nahe: Die Forschenden der Uni Cambridge haben auch untersucht, ob, wie Gesundheitsexpertinnen und -experten argumentieren, die HPV-Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs, dafür sorge, dass Menschen wieder häufiger riskanten ungeschützten Sex haben - und dann andere sexuell übertragbare Krankheiten bekommen wie Aids. Aber auch dafür haben die Forschenden keine Hinweise gefunden. Geimpfte hatten im Schnitt nicht mehr Geschlechtskrankheiten als Nicht-Geimpfte - eher weniger.

Gleiches gilt fürs Helmtragen beim Fahrradfahren: Auch da haben die Forschenden keine Hinweise gefunden, dass Radfahrer mit Helm risikobereiter unterwegs sind als diejenigen ohne Helm.

Das Konzept der Risiko-Kompensation sei überholt, schreibt Theresa Marteau, die Psychologin, die diese Meta-Studie geleitet hat. Sie geht sogar noch einen Schritt weiter und bezeichnet das Konzept an sich als Gesundheitsrisiko. Denn die Behörden würden zögern, Regeln wie Maskenpflicht, Helmpflicht oder eine mögliche Impfpflicht durchzusetzen.

Shownotes
Psychologie
Maskentragen macht uns nicht nachlässiger
vom 27. Juli 2020
Moderator: 
Christoph Sterz
Gesprächspartnerin: 
Aglaia Dane, Deutschlandfunk Nova