Eine Covid-19-Erkrankung kann sich auf die psychische Gesundheit auswirken. Vor allem bei schwersten Verläufen können Traumata entstehen wie nach einem Krieg. Gleichzeitig sind Therapie-Plätze schwer zu bekommen. Psychologin Christine Knaevelsrud forscht zur Wirksamkeit von Online-Therapie und sagt: Digitale Angebote können eine gute Ergänzung sein.

Posttraumatische Belastungsstörungen, kurz PTBS, können nicht nur bei Kriegs- oder Folteropfern auftreten. Auch nach schwerer Krankheit mit intensivmedizinischer Behandlung, wie es teilweise bei Covid-19-Erkrankungen der Fall ist, können Patientinnen oder deren Angehörige eine PTBS entwickeln.

Risiko für PTBS höher bei Intensivpatienten

Christine Knaevelsrud ist Professorin für Klinisch-Psychologische Intervention an der Freien Universität Berlin und forscht seit Jahren zum Thema PTBS und Traumata. Sie sagt: Menschen, die sich für einen längeren Zeitraum zwischen Leben und Tod befinden, haben ein höheres Risiko, an einer PTBS zu erkranken.

"Das sind ganz ganz einschneidende Ereignisse und Erlebnisse, die bei Patientinnen und Patienten dann tatsächlich zu einer chronifizierten Notfallreaktion führen können."
Christine Knaevelsrud, Psychologin

Allerdings sagt Christine Knaevelsrud auch: Nur weil ein Mensch ein schwerwiegendes, außerordentlich schreckliches Ereignis erlebt hat, wird er nicht per se psychisch krank. "Das sind bestimmte Konstellationen, die dazu führen, dass man krank wird." Grundsätzlich ist der Mensch nämlich auch bei schweren Ereignissen anpassungsfähig, so die Psychologin.

"In der Pandemie sehen wir, dass Menschen letztendlich eine hohe Anpassungsfähigkeit haben, mit solchen Extremsituationen umzugehen."
Christine Knaevelsrud, Psychologin

Trotzdem gehen Forschende davon aus - und das zeigen auch die Erfahrungen aus früheren Krisen und Epidemien sowie erste Untersuchungen zu dem Thema - dass die Pandemie zu mehr psychischen Problemen führen dürfte. Vor allem Depressionen, Anpassungs- und Angststörungen könnten demnach zunehmen. Gleichzeitig sind Therapie-Plätze oft schwierig zu bekommen, die Wartezeiten ziemlich lang.

Wirksamkeit von Online-Therapie

Hier könnten digitale Therapie-Angebote eine wichtige Rolle in der Pandemie, aber auch ganz grundsätzlich in der Psychotherapie spielen, sagt Christine Kanevelsrud. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt seit Jahren auf der Wirksamkeit von Online-Therapieangeboten. Sie sagt: "Therapeutische Beziehung findet ihren Weg unabhängig vom Medium."

"Bei den Menschen, die sich das vorstellen können, hilft es vergleichsweise gut - wie die klassische Sprechzimmer-Therapie"
Christine Knaevelsrud, Psychologin

Für wen Online-Therapie eine Option sein kann, welche Grenzen digitale Angebote haben und warum es wichtig ist, dass wir auch etwas Positives aus der Corona-Pandemie ziehen, hört ihr im Deep Talk.

Wer selbst Hilfe braucht, kann sich telefonisch oder online bei der Telefonseelsorge melden. Unter den kostenlosen Hotlines 0800-111 0 111 und 0800-111 0 222 könnt ihr euch anonym und vertraulich beraten lassen. Weitere Hilfsangebote haben wir hier für euch aufgelistet.

Wir freuen uns über eure Mails an mail@deutschlandfunknova.de

Shownotes
Psychologin Christine Knaevelsrud
"Online-Therapie hilft so gut wie Sprechzimmer-Therapie"
vom 16. Juni 2021
Moderatorin: 
Rahel Klein
Gesprächspartnerin: 
Christine Knaevelsrud, Psychologin