2020 ist Quallen-Jahr – besonders an der Ostsee, sagt die biologische Ozeanografin Cornelia Jaspers. Erstaunlich ist, dass wir so wenig über dieses Raubtier der Meere wissen.

Seit über 550 Millionen Jahren gibt es sie und doch wissen wir bisher nur wenig über sie: Quallen. Sie zu erforschen, hat die Wissenschaft in der Vergangenheit eher hintenangestellt. Denn: Die Arbeit mit Quallen ist schwierig, erklärt die biologische Ozeanografin Cornelia Jaspers, die am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel und an der Technischen Universität in Kopenhagen forscht.

Fragil und glibberig

Angefangen bei ihrer Form. Jeder, der eine angespülte Qualle am Strand gesehen hat, weiß: Quallen sind zerbrechliche Lebewesen. Und auch Forschende können sie nur schwer einfangen. Egal ob mit den Händen oder einem großen Netz, die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sie dabei zerplatzen.

"Quallen sind nicht nur sehr fragil, sie müssen oft lebend analysiert werden."
Cornelia Jaspers, biologische Ozeanografin

Beim Fischen nach Quallen bedarf es also viel Feingefühl und Vorsicht, so die Ozeanografin. Zumal die Forschenden die Wassertiere lebend untersuchen müssen. "Das heißt, man verbringt sehr lange Schichten und auch Nächte damit, Glibber zu sortieren, zu analysieren und auseinander zu pulen", erklärt sie.

Die natürliche Lebenswelt im Labor nachstellen

Einmal mit dem Netz eingefangen und ins Labor gebracht, kommt es zur nächsten Hürde: Quallen sind wählerisch, was ihre Nahrung angeht. Ähnlich wie Tiger sind sie Raubtiere, die ihr Futter lebend bevorzugen, sagt Cornelia Jaspers. Ein toter Krebs überzeugt sie nicht. Um sie im Labor zu halten, brauchen die Quallen daher einen nachgestellten Lebensraum, der mit einem Nahrungsnetz ausgestattet ist und viele Kubikmeter Wasser an Platz bietet.

"Quallen sind auch Raubtiere so wie Tiger, sie fressen auch nicht alles. Wenn man einer Qualle einen toten Krebs vor die Nase hält, dann wird das leider nichts."
Cornelia Jaspers, biologische Ozeanografin

Für unser Ökosystem könnten Quallen eine tragende Rolle haben, so die Ozeanografin. Dafür gebe es zumindest Hinweise. Denn: Quallen fressen nicht nur andere Meereslebewesen, sie sind auch Nahrungsmittel – zum Beispiel von Aallarven. In der Sargassosee, einem Meeresgebiet östlich von Florida, sind Quallen eine Hauptnahrungsquelle der Aallarven, wie ein Blick in ihren Magen zeigt.

Mehr als 550 Millionen Jahre alt

Hinzu kommt: Weil es Quallen schon über 550 Millionen Jahre gibt, zeigt das auch, wie anpassungsfähig sie an unterschiedliche Umweltbedingungen sind.

Für die Wissenschaft gibt es in diesem Jahr auf jeden Fall einige Möglichkeiten, Quallen tiefgehender zu erforschen. Denn: Durch den Klimawandel und die dadurch erhöhten Temperaturen, nehmen die Quallen in der Ostsee zu.

Die Durchschnittstemperatur in der Ostsee in den Wintermonaten ist in den letzten vierzig Jahren um etwa drei Grad angestiegen. "Wärmere Temperaturen sorgen für einen höheren Stoffwechsel und mehr Aktivität – und damit auch für ein schnelleres Wachstum, wenn die Nahrungsbedingungen gut sind", erklärt sie. Dieses Jahr sind sie das.

Shownotes
Meeresbiologie
Quallen - wählerische Raubtiere der Meere
vom 27. Juli 2020
Moderator: 
Sebastian Sonntag
Gesprächspartnerin: 
Cornelia Jaspers, biologische Ozeanografin, die am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel und an der Technischen Universität in Kopenhagen forscht