Nach dem Anschlag von Hanau hat es diese Woche eine Großrazzia gegen die Neonazigruppe "Aryan Circle Germany“ gegeben. Der Verdacht: Bildung einer kriminellen Vereinigung. Wie rechtsextreme Gruppen sich bilden und was sie zusammenhält, hat uns ARD-Terrorismusexperte Holger Schmidt erklärt.
Aryan Circle Germany, Combat 18, Gruppe S., Oldschool Society, Revolution Chemnitz – so die Namen einiger rechtsterroristischer Gruppierungen. Manche von ihnen sind zuletzt zerschlagen worden, andere sollen noch existieren.
Rassistisch und antidemokratisch
Oberflächlich seien die Unterschiede zwischen ihnen oft nur gering, sagt ARD-Terrorismusexperte Holger Schmidt. Alle seien rassistisch, fremdenfeindlich und antisemitisch. Und sie alle würden den Rechtsstaat ablehnen.
"Sie alle sind rassistisch, fremdenfeindlich, antisemitisch, judenfeindlich, und alle lehnen die Bundesrepublik, die Demokratie, den Rechtsstaat ab."
In den Details seien die Unterschiede größer. Manche hätten eine lange Geschichte. Viele Gruppierungen würden einen großen Wert auf eine gemeinsame Kleidung legen, so Holger Schmidt. Nicht selten gebe es kameradschaftlich strukturierte Organisationsformen mit Hierarchien und Dienstgraden.
Zusammenhalt in der Ideologie
Andere Gruppierungen verzichten auf äußere Erkennungsmerkmale, haben nur einen losen Zusammenhalt und bestehen vielleicht aus Menschen unterschiedlicher Länder. Ihr gemeinsamer Nenner sei dann aber die rassistische Ideologie. Hier würden sich vom Polizeibeamten bis hin zum Arbeitslosen Menschen versammeln, die so eigentlich wenig Gemeinsamkeiten hätten, sagt der Terrorismusexperte.
Radikalisierung und Rekrutierung über das Netz
Ihre Mitglieder rekrutieren rechtsterroristische Gruppierungen zum Beispiel über soziale Medien oder Chatgruppen. Die mittlerweile zerschlagene Gruppe S. habe so Leute aus ganz Deutschland gefunden und zu gemeinsamen Treffen oder Grillabenden motiviert. Dabei soll auch konkret geplant worden sein: "Die waren wirklich dabei, Anschläge zu planen, mit Personen, die völlig unterschiedlich waren: vom Hartz-IV-Empfänger bis zum Beamten des Landes Nordrhein-Westfalen", sagt Holger Schmidt.
War die rechtsextremistische Szene in der Vergangenheit eher homogen und oft regional strukturiert, beispielsweise in rechten Kameradschaften, seien die Gruppierungen heute auch heterogen. Über das Internet würden sich Menschen aus den unterschiedlichsten sozialen Milieus versammeln.
Was sich auch verändert habe, sei das Aufkommen von rechtsextremen Tätern, die alleine losziehen, um Anschläge zu verüben, sagt Holger Schmidt. Ein Beispiel sei Stephan E., der mutmaßlich Lübke-Mörder.
"Das sind Personen, die sich nach meinem Eindruck selber radikalisiert haben, im Fall von Stephan E. sehr lange auch in einer Szene waren, aber dann für sich beschlossen haben, dass sie losziehen und rassistische, neonazistische Morde verüben."
Bis zur Entdeckung der NSU-Terrorzelle im Jahr 2011 habe man den "tödlichen rechten Terror" über Jahre hinweg übersehen, sagt der Terrorismusexperte. Inzwischen hätte sich bei den Ermittlungsbehörden einiges zum Positiven gewendet. Viele Anschläge seien schon verhindert worden, so Holger Schmidt. Doch das Phänomen der sogenannten "Einzeltäter" erschwere die Arbeit der Polizei enorm - egal, ob es sich nun um islamistische oder rechtsextremistische Täter handle. Deshalb sei es nicht auszuschließen, dass sich Taten wie in Kassel, Halle oder Hanau wiederholen.
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