Gelsenkirchen ist die erste Stadt Deutschlands, die E-Scooter verboten hat. Weil sich die Unfälle häuften, wollte die Stadt, dass sich die Nutzenden mit Perso oder Führerschein registrieren. Die Verleiher lehnten das ab. Bisher konnten dort Jugendliche ab 14 Jahren E-Scooter nutzen – und beim Mieten einfach Fantasienamen angeben.

Wenn ihr in Zukunft ganz sicher nicht mehr von einem E-Scooter umgefahren werden beziehungsweise nicht mehr über einen stolpern wollt, dann zieht nach Gelsenkirchen. Dort werden sie jetzt nämlich aus dem Stadtbild verbannt.

"Es gibt bei uns eine Treppenanlage, da haben sich Jugendliche einen Spaß draus gemacht, runterzufahren und Rennen zu fahren."
Martin Schulmann, Stadt Gelsenkirchen

31 Unfälle mit E-Scootern gab es in Gelsenkirchen im vergangenen Jahr, sagt die Polizei. Außerdem wurden sie oft verbotenerweise in Fußgängerzonen genutzt – und: um Treppenrennen zu fahren.

Verleiher lehnen Identitätsnachweis ab

Die E-Scooter wurden deshalb aber nicht sofort verboten: Um die Unfallverursacher*innen beziehungsweise am Unfall beteiligten Personen ausfindig machen zu können, sollten die Nutzer*innen der E-Scooter aber ihre Identität nachweisen müssen, um fahren zu dürfen. Mit Perso oder Führerschein.

Die beiden in Gelsenkirchen aktiven Verleihfirmen Tier und Bolt wollten das aber nicht. Im Moment kann jede Person ab 14 Jahren einen E-Roller mieten – und bei der Registrierung, wenn sie oder er möchte, irgendwelche Fantasienamen eingeben. Nicht selten sieht man Personen auf E-Rollern, die auch deutlich unter 14 Jahren alt sein könnten – dass weder Alter noch Identität überprüft werden, erleichtert ein solches Verhalten.

Verwaltungsgericht entscheidet gegen Tier und Bolt

Vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen verloren die Verleihfirmen ein Eilverfahren – die beiden Unternehmen müssen die E-Scooter jetzt bis Samstag, 20. April 2024, aus Gelsenkirchen entfernen. Roller in Privatbesitz sind von dem Urteil nicht betroffen. Begründung: Diese sind registriert und potenzielle Unfallverursacher*innen deshalb auffindbar.

Offiziell sperren sich die Anbieter gegen den verpflichtenden Identitätsnachweis, weil es keine belegbaren Daten dafür gebe, dass das zu mehr Sicherheit führe, berichtet Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Anne-Katrin Eutin. Am Ende sei das aber vor allem ein höherer bürokratischer Aufwand – und natürlich ein wirtschaftlicher Aspekt: Den Anbietern gehe durch die Nachweispflicht potenziell viel Kundschaft verloren.

Regelungen in Europa extrem verschieden

In deutschen Städten gibt es den verpflichtenden Identitätsnachweis bei der E-Scooter-Ausleihe (noch) nirgends, nur in anderen Ländern. Grundsätzlich sind die Regelungen für E-Scooter in europäischen Ländern äußerst unterschiedlich, etwa was Versicherungs-, Helm- und Kennzeichenpflicht, Alter oder Promillegrenze betrifft. In den Niederlanden und Großbritannien (außer in bestimmten Bereichen im Rahmen einer zwölfmonatigen Testphase) sind die E-Roller ganz verboten.

"Eine Alternative ist eine Drosselung unserer Fahrzeuge in Fußgängerzonen, dafür benötigt es eine gesetzliche Grundlage."
Johannes Knippenberg vom E-Roller-Anbieter Tier

Sein Unternehmen habe schon Alternativen angeboten, um das Fahren mit E-Scootern sicherer zu machen, sagt uns Johannes Knippenberg von Tier. Eine davon sei die Reduzierung der Geschwindigkeit in Fußgängerzonen. Aus seiner Sicht ist eine bessere Infrastruktur mit gut ausgebauten Radwegen und Abstellmöglichkeiten wichtiger als der Identitätsnachweis.

Der Stadt Gelsenkirchen reicht das aber nicht – sie baut auf den psychologischen Effekt, dass sich Leute eher benehmen, wenn direkt nachvollziehbar ist, wann und wie sie die Scooter nutzen.

Wie umweltfreundlich sind E-Scooter wirklich?

Kritiker*innen sagen: Ein Verbot ist ein drastischer Schritt. Immerhin sind E-Roller nach wie vor eine umweltfreundliche Alternative zum Auto.

Doch wie umweltfreundlich E-Scooter tatsächlich sind, darüber wird diskutiert. Es gibt nämlich Einschränkungen: "E-Scooter sind nur dann umweltfreundlich, wenn sie Auto- oder Motorrad-Fahrten ersetzen und keine weiteren zusätzlichen Fahrten mit kraftstoffbetriebenen Fahrzeugen stattfinden", heißt es etwa vom Umweltbundesamt. "Wird der E-Scooter anstatt der eigenen Füße oder des Fahrrades benutzt, ist das schlecht für Umwelt, ⁠Klima⁠ und Gesundheit."

Tatsächlich können die Scooter Autofahrten nur zu einem kleinen Teil ersetzen, machen Studien deutlich – eher das Radfahren oder Laufen. Trotzdem: Potenzial ist durchaus vorhanden, gerade in der Kombination mit Öffis, sagt Uta Bauer vom Deutschen Institut für Urbanistik.

"Insbesondere die Leih-E-Scooter werden häufig – zu einem Viertel – in Kombination mit öffentlichen Verkehrsmitteln genutzt."
Uta Bauer, Deutsches Institut für Urbanistik, 2023 bei Deutschlandfunk Kultur

Bauer plädiert an die Kommunen, aktiver zu regulieren, um die Gefahren besser einzudämmen, die durch eine rücksichtslose Nutzung der E-Roller entstehen. Die Scooter wurden 2019 vom Bundesverkehrsministerium in Deutschland zugelassen – die jeweilige Nutzung regeln und an bestimmte Voraussetzungen knüpfen müssen beziehungsweise dürfen die Kommunen.

Final entschieden ist der Fall in Gelsenkirchen übrigens noch nicht – die Eilentscheidung hat zwar Gültigkeit, aber das Hauptverfahren läuft trotzdem noch weiter. Wenn es abgeschlossen ist, könnte das Urteil Signalwirkung für andere Städte haben. Einige Kommunen haben wohl bereits sehr interessiert in Gelsenkirchen angeklopft und nachgefragt, wurde unserer Reporterin erzählt. Wir werden sehen, ob weitere Städte diesem Beispiel folgen – oder ob sie andere Wege fahren… ähm: gehen.

Shownotes
Gelsenkirchen verbietet Scooter
E-Roller: Wie sinnvoll der Identitätsnachweis ist
vom 19. April 2024
Moderation: 
Till Haase und Sebastian Sonntag
Gesprächspartnerin: 
Anne-Katrin Eutin, Deutschlandfunk Nova