Die gemeinnützige Organisation Women on Web liefert Frauen den Schwangerschaftsabbruch nach Hause. Das ist vor allem in den Ländern wichtig, in denen Abtreibungen praktisch illegal sind - etwa in Polen.

Am 22. Oktober hat das polnische Verfassungsgericht mit einem Urteil das Abtreibungsrecht noch weiter verschärft. Dabei gilt in Polen bereits das strengste Abtreibungsrecht in Europa: Nur Frauen, die Opfer einer Vergewaltigung geworden sind, deren Leben durch die Schwangerschaft bedroht ist oder deren ungeborenes Kind schwere Fehlbildungen aufweist, haben in Polen das Recht abzutreiben.

Durch die Entscheidung des Verfassungsgerichts gelten nun aber - voraussichtlich ab Anfang November - auch Abtreibungen aufgrund schwerer Fehlbildungen des ungeborenen Kindes als illegal.

Nicht nur den Frauen in Polen, sondern auch in vielen anderen Ländern hilft die gemeinnützige Organisation Women on Web mit einem Medikament, mit dem sie sogar zu Hause einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen können. Gerade in der Coronavirus-Pandemie, in denen die Frauen aufgrund hoher Infektionszahlen nicht einfach so eine Ärztin oder einen Arzt aufsuchen können, ist die Pille per Post eine Hilfe.

Vor der Abtreibungspille kommt die Beratung

Seit 15 Jahren gibt es Women on Web. Auf ihrer Seite klärt die Organisation über Verhütung und Schwangerschaftsabbruch auf und berät Frauen. Diese können anonym bleiben.

Eine Frau, die einen Schwangerschaft abbrechen möchte, muss auf der Webseite zunächst einen Fragebogen mit rund 40 Fragen ausfüllen. Dabei geht es etwa um die Dauer der Schwangerschaft, aber auch darum, wie sicher sich die Frau mit der Entscheidung ist und ob sie eine Vertrauensperson hat, die sie unterstützen kann.

Die Ärztinnen der Organisation werten den Fragebogen aus und nehmen dann Kontakt zu der Frau auf. Letzte Fragen werden am Telefon geklärt. Danach entscheidet die Ärztin, ob sie der Betroffenen ein Paket mit dem Abtreibungsmedikament schickt.

Für Frauen eine sichere Form der Abtreibung

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bewertet diese Art der Abtreibung seit 2005 als sicher für die Frauen. Dennoch müssen in manchen Ländern wie in Deutschland die Frauen eine Arztpraxis oder ein Krankenhaus aufsuchen, wenn sie die Abtreibungspille nehmen.

Während der ersten Ausgangssperren wegen der Pandemie war es den Frauen in England und Frankreich erlaubt, die Pille zu Hause zu nehmen. In einigen anderen europäischen Ländern ist es schon länger erlaubt, dass die Frauen einen Teil des medikamentösen Abbruchs zu Hause vornehmen.

"Es gibt Länder, die in ihrem Zoll vermehrt Pakete von uns abfangen und dadurch unsere Arbeit schwieriger machen. Aber generell wird da bisher nur mäßig gegen vorgegangen."
Sophie von Women on Web

Laut Women on Web ist es erlaubt, sich die Abtreibungsmedikamente für den Eigengebrauch nach Hause schicken zu lassen. Allerdings würden einige Zollstellen die Pakete der Organisation auch versuchen abzufangen. Da aber nicht alle Pakete zentral, sondern von Filialen verschickt werden, ist das nicht eindeutig nachzuweisen.

WHO befürwortet Women on Web

Grundsätzlich werde die Arbeit von Women on Web toleriert, weil sie von der WHO anerkannt werde. Außerdem sei der Besitz der Medikamente, die verschickt werden, in den meisten Ländern erlaubt.

Rein rechtlich ist die Arbeit von Women on Web eine Grauzone. In Deutschland ist ein Schwangerschaftsabbruch nach Paragraf 218 zum Beispiel eine Straftat - außer die Frau lässt sich im Sinne des Paragrafen 218a beraten, die Schwangerschaft hat noch nicht die 12. Woche erreicht und der Abbruch wird von einem Arzt oder einer Ärztin vorgenommen. Nach den geltenden gesetzlichen Regelungen in Deutschland wäre ein Abbruch per Pille in den eigenen vier Wänden aktuell eine Straftat.

Dennoch nehmen auch in Deutschland Frauen die Unterstützung von Women on Web in Anspruch. Sie geben an, dass der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland manchmal schwierig sei. 2019 hätte die Organisation circa 1000 Anfragen aus Deutschland bekommen, sagt Sophie von Women on Web.

"Ich möchte keine normale Abtreibung, weil meine Familie es sonst mitbekommen würde. Ich möchte mit ihnen nicht über etwas diskutieren, das hauptsächlich mich angeht."
Frau (anonym)

Gründe, warum sich Frauen auch in Deutschland an Women on Web wenden:

  • Lange Wartezeiten auf einen Termin
  • Große Entfernung zu Krankenhaus oder Arztpraxis
  • Angst vor Konsequenzen in der Familie
  • Angst vor dem Partner
  • Zu hohe Kosten

In Deutschland kostet ein Schwangerschaftsabbruch zwischen 200 und 570 Euro. Women on Web verschickt die Abtreibungspille auf Spendenbasis.

Shownotes
Women on Web
Schwangerschaftsabbruch: Die Pille aus dem Netz
vom 31. Oktober 2020
Moderatorin: 
Jenni Gärtner
Gesprächspartnerin: 
Meike Glass, Deutschlandfunk-Nova-Reporterin