Für Frauen ist der Schwangerschaftsabbruch eine Belastung - für Ärzte eine Grauzone. Die Berliner Frauenärztin Gabriele Halder sagt: "Wenn der Schwangerschaftsabbruch im Strafgesetz geregelt ist, kann es nur zu völligen Fehlentwicklungen kommen."

Am Freitag (24.11.17) hat ein Gießener Gericht die Frauenärztin Kristina Händel wegen Werbung für den Schwangerschaftsabbruch zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro verurteilt. Laut Paragraf 219a des Strafgesetzbuches ist das verboten. Die Ärztin selbst sagt, sie habe auf ihrer Homepage Frauen lediglich Informationen zur Verfügung gestellt. 

Johannes Döbbelt, Deutschlandfunk-Nova, fasst Reaktionen zu dem Urteil zusammen.
"Viele Reaktionen gehen in die Richtung, dass dieser Paragraf 219a völlig überholt sei und sofort abgeschafft werden müsste."
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Auch Gabriele Halder ist Frauenärztin. Sie führt Schwangerschaftsabbrüche in Berlin durch. Vor einem Abbruch, so sagt sie, achte sie ganz genau darauf, sich an alle juristischen Vorschriften zu halten. Dazu zähle beispielsweise, dass die Frauen eine Pflichtberatung erhalten haben. Außerdem muss zwischen der Beratung und dem Abbruch eine Frist zur Bedenkzeit von mindestens drei Tagen liegen.

"Ich spüre einen Druck nur insofern, als dass ich weiß, dass ich - wenn ich Vorschriften nicht einhalte - vor den Kadi komme."
Gabriele Halder, Gynäkologin

Zu den Pflichten der Ärzte zähle es auch, festzustellen, dass eine Frau ihre Entscheidung für den Schwangerschaftsabbruch aus freiem Willen getroffen hat und von niemandem dazu gedrängt wurde, sagt Halder.

Universitäten wollen nichts Illegales beibringen

Weiterhin müssen Ärzte die Frauen über verschiedenen Formen des Abbruchs unterrichten. Eine Patientin richtig und umfassend zu informieren, das sei aufwendig, sagt Halder. Alles müsse außerdem sauber dokumentiert und nachgehalten werden - zum Beispiel, wann und an wen sie jede einzelne Abtreibungspille Mifegyne vergeben hat.

"Der Schwangerschaftsabbruch wird als solcher nicht beigebracht. Beigebracht werden Krankheitszustände, die in Verbindungen mit Schwangerschaften auftauchen."
Gabriele Halder, Gynäkologin

Der Schwangerschaftsabbruch ist ein kleiner Eingriff in der Gynäkologie, sagt die Frauenärztin. Gelehrt werde er als solcher aber nicht, sondern komme nur in Verbindung mit der Schwangerschaft zur Sprache - etwa wenn es um den verhaltenen Abort oder Molenschwangerschaften geht.

Da viele Kliniken in kirchlicher Hand seien, würde aber auch nicht angelernt, was um einen Abbruch herum notwendig sei - etwa, mit der Frau zu sprechen und die Ambivalenzen mit ihr zu klären, berichtet Halder.

"Wenn der Schwangerschaftsabbruch im Strafgesetz geregelt ist, dann kann es nur zu völligen Fehlentwicklungen kommen. Und die haben wir."
Gabriele Halder, Gynäkologin

Schon die Frauenbewegung in den 70er-Jahren habe gefordert, den Paragrafen 219a abzuschaffen. Ein solcher Paragraf sei der Grund, warum es auch für Frauenärzte heute noch keine universitäre Ausbildung zu Abbrüchen gebe. "Warum sollten die etwas Illegales beibringen?", fragt Halder.

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Mittlerweile richten sich die Studenten sogar an NGOs, um in Verhütung und Schwangerschaftsabbruch ausgebildet zu werden, sagt Halder und kritisiert so den Status Quo.

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Shownotes
Schwangerschaftsabbruch
Wenn Ärzte sich strafbar machen
vom 24. November 2017
Moderator: 
Till Haase
Gesprächspartner: 
Gabriele Halder, Gynäkologin