In der Schweiz wird am Sonntag über einen schnelleren Atomausstieg abgestimmt. Laut Umfragen könnte eine Mehrheit dafür stimmen. Hinter der Abstimmung steckt eine Initiative der Schweizer Grünen. Sie wollen alle Reaktoren, die älter als 45 Jahre alt sind, aus dem Verkehr ziehen. Stimmen die Schweizer dafür, müssten drei der fünf nationalen Meiler im nächsten Jahr vom Netz gehen.
Rund 15 Prozent der Schweizer Energieproduktion würden mit dem Atomausstieg wegfallen und die Stromversorgung müsste neu geplant werden. Zusätzlich wäre mit Schadensersatzforderungen in Milliardenhöhe durch die betroffenen Energiekonzerne zu rechnen.
Der Grund für die Forderung ist, dass die Reaktoren veraltet seien und daher nicht mehr als sicher gelten könnten. Unter anderem befindet sich in der Schweiz das älteste Atomkraftwerk der Welt: 1969 ging Block 1 des Reaktors in Beznau an der Aare in Betrieb. Nach Beznau 2 folgten bis in die Achtziger der Bau drei weiterer Atomkraftwerke in Mühleberg, Gösgen und Leibstadt.
Die Schweiz hat mit diesen vier kommerziellen Werken und sieben Forschungsreaktoren, von denen immerhin noch einer läuft, die wahrscheinlich dichteste Atomkraftkonzentration auf der Welt vorzuweisen. Das ist unter anderem der Geografie des kleinen Landes geschuldet: Etwa die Hälfte der Schweiz ist von den Alpen besetzt. Da dort keine Atomkraftwerke gebaut werden können, befinden sich alle Reaktoren im Norden des Landes und sehr nah beieinander.
Um zu verstehen, wieso die Schweiz überhaupt so viele Reaktoren hat, muss man sich anschauen, warum sie in die Atomkraft eingestiegen ist:
"Nach dem Zweiten Weltkrieg hat man begonnen, ein eigenes Kernwaffenprogramm zu entwickeln. Für Atombomben braucht man atomwaffenfähiges Plutonium und das bekommt man aus Atomkraftwerken."
In der aktuellen Diskussion steht die Sicherheit an erster Stelle. 2015 hat man im Reaktor Berznau rund 1000 sogenannter Fehlstellen festgestellt, die auch als Risse bezeichnet werden. Auch bei den anderen Kraftwerken, zum Beispiel in Mühleberg, hat man Sicherheitsmängel entdeckt. Es wurde 2012 sogar beschlossen, dass es vom Netz sollte. Ein Jahr später entschied sich das oberste Gericht der Schweiz aber: Das kann ruhig weiterlaufen.
Kurioserweise sorgt man sich in Deutschland viel um den Atomausstieg in Frankreich und Belgien, von der Schweiz ist hierzulande selten die Rede. Das liegt laut Jürgen Döschner daran, dass man die Schweiz als Atommacht nicht auf dem Schirm hat. Und das, obwohl die nördlich gelegenen Schweizer Reaktoren sich in der direkten Nachbarschaft befinden:
"Im Fall eines Falles wäre Deutschland bei allen vier Atomkraftwerken der Schweiz betroffen."
Die Schweiz hat riesige Berge und mächtige Flüsse, die heftig anschwellen. Der Ausbau von Wasserkraft in der Schweiz liegt somit nahe. Zurzeit produzieren die Schweizer 60 Prozent ihres Stroms aus Wasserkraft. Geplant ist noch mal 10 Milliarden Euro zu investieren, um das auszubauen, sagt Döschner. Die Atomkraft sei gewissermaßen eine Altlast aus der Vergangenheit, die eben nicht nur mit Energie, sondern mit Politik, Krieg und Atomwaffen zusammenhänge. Konzerne hätten sich außerdem ein Zubrot verdient, das sie nicht so schnell aufgeben wollen, deshalb hielten sie an der Atomkraft fest.