Selfies sind banal? Selfies sind Kunst! Ein renommiertes New Yorker Fotografiemuseum hat das endlich erkannt. Im International Center of Photography versöhnen sich die großen Fotografen mit den Social-Media-Fotos.
Bevor ihr anfangt zu lästern, solltet ihr euch zwei Zahlen auf der Zunge zergehen lassen: 350 Millionen und 5000. 350 Millionen Fotos werden täglich auf Facebook hochgeladen - und 5000 Bilder sehen wir mittlerweile im Durchschnitt pro Tag. Dass wir so immun gegen Reize werden, wie es der Direktor vom Fotografiemuseum ICP Mark Lubell formuliert, ist da fast schon zwangsläufig.
"Was bedeutet es, wenn die Gesellschaft grundsätzlich zu einer bildbasierten Form wechselt? Wir reagieren schneller. Instinktiv. Wenn es schrecklich oder etwas wunderbar ist. Aber wir gehen nicht immer in die Tiefe."
Besonders künstlerisch wertvoll sind die meisten Smartphone-Bilder nicht. Trotzdem gehören sie ins Museum. Sogar in ein Museum, das ursprünglich 1974 von einem Magnum-Fotografen gegründet wurde. Also aus dem Umfeld von Robert Capa, dem Kriegsfotografen, der die vielleicht berühmtesten Aufnahmen vom Zweiten Weltkrieg geschossen hat. Oder vom Spanischen Bürgerkrieg. Capa-Fotos an der einen Wand und Selfies im nächsten Raum - das ist ein ziemlicher Spagat.
Andererseits können auch Selfie-Fotos zu Foto-Ikonen unserer Epoche werden. In einem etwas kleineren Maßstab zeigt das schon das Selfie des EM-Flitzers mit Cristiano Ronaldo. Das ist ein Foto, das jetzt europaweit bekannt ist.
"Public, Private, Secret" heißt die Eröffnungsausstellung. Und darin soll das Gleichgewicht zwischen dem Selbstbild in den Sozialen Medien und der Privatperson ausgelotet werden. Wie sehr sich der Smartphone-Fotograf am liebsten selbst in den Mittelpunkt stellt, seht ihr in dem Museum in Echtzeit. Dort filtert eine Software den Social-Media-Photostream über Schlagwörter. Und so halten eben auch ganz banale Fotos Einzug in die Museumsräume.
Auch Van Gogh, Dürer und Frida Kahlo machten Selfies
In den Museen dieser Welt hingen auch schon vor dem Siegeszug des Smartphones Selbstporträts. Eben von Van Gogh, Dürer, Frida Kahlo - wenn man so will, haben sie die Vorarbeit geleistet für die heutige Selfie-Begeisterung. Auch hoch geschätzte Gegenwartskünstler nutzen ausgiebig diese Form der Selbstdarstellung. Allein die Variantenvielfalt heutiger Selfies ist ja schon atemberaubend.
Da gibt es das #Artselfie des berühmten Künstlers vor seinen Skulpturen, das #FaceSwap, bei dem fremde Gesichter auf den eigenen Körper montiert werden oder auch das #Unselfie. Alec Soth macht Selfies, bei denen sein Gesicht immer verdeckt ist: mit Schnee, einem Luftballon, einer Skulptur oder was auch immer. Auch diese Bilder sind in einem Museum zu sehen. Allerdings ist dieses Museum rein virtuell. Das Museum heißt Instagram.