Künftig soll ein Vergewaltiger auch dann bestraft werden können, wenn sich das Opfer nicht körperlich gewehrt hat - allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen. Opferverbände dagegen fordern: Sexuelle Handlungen gegen den ausdrücklichen Willen einer Person müssen immer strafbar sein - egal ob oder aus welchen Gründen sie sich körperlich gewehrt hat oder nicht.

Die Bundesregierung hat einen neuen Gesetzentwurf beschlossen, mit dem es leichter werden soll, Vergewaltigungen zu bestrafen. Er sieht vor, dass ein Vergewaltiger in Zukunft auch dann verurteilt werden kann, wenn er bei seiner Tat keine Gewalt angewendet oder damit gedroht hat. Eine Vergewaltigung soll auch bald dann strafbar sein, wenn sich das Opfer nicht körperlich zur Wehr gesetzt hat.

Opferverbänden geht der Entwurf nicht weit genug

So weit, so gut - allerdings werden bestimmte Voraussetzungen formuliert, die dafür erfüllt sein müssen. Opfer einer Vergewaltigung müssen demnach vor Gericht erklären, warum sie während der Tat unfähig waren, körperlichen Widerstand zu leisten. Gründe, die der neue Gesetzentwurf "gelten" lässt, sind unter anderem:

  • wenn der Täter sein Opfer überrumpelt hat oder
  • wenn das Opfer damit rechnen musste, dass ihm bei einer Weigerung erhebliche Nachteile entstehen könnten - etwa der Verlust des Arbeitsplatzes, wenn der sexuelle Übergriff vom Chef oder der Chefin ausging
"Wir wissen aus der Praxis und der Forschung, dass in mehr als der Hälfte der Fälle keine Gewaltanwendung des Täters und auch kein körperlicher Widerstand des Betroffenen vorliegt."

Katja Grieger vom Bundesverband "Frauen gegen Gewalt" begrüßt den Gesetzentwurf aus dem Bundesjustizministerium insofern, als die Opfer sexueller Übergriffe damit "an einigen Punkten nun stärker geschützt werden als zuvor." Trotzdem geht ihr - wie vielen anderen Vertretern von Opferverbänden - der Entwurf nicht weit genug: "Denn es wird nach wie vor Fallkonstellationen geben, in denen sexuelle Handlungen gegen den ausdrücklichen Willen der Betroffenen vorgenommen werden und trotzdem nicht strafbar sein werden."

"Das Leben ist immer vielfältiger als es drei Paragrafen sein können."

Auch der neue Gesetzentwurf geht nach Meinung von Katja Grieger nach wie vor davon aus, dass sich Betroffene im Normalfall körperlich wehren, wenn sie deutlich machen wollen, dass sie eine bestimmte sexuelle Handlung nicht wollen. Nur in bestimmten, im Gesetz formulierten Fällen sei eine körperliche Gegenwehr in Zukunft nicht mehr erforderlich, damit ein sexueller Übergriff im Nachhinein bestraft werden kann.

"Diebstahl ist auch immer strafbar - egal ob sich der Beklaute gewehrt hat oder nicht."

Ganz oft wüssten die Betroffenen - in den meisten Fällen Frauen - jedoch später gar nicht mehr, warum sie sich eigentlich im Moment der Tat nicht gewehrt haben, erzählt Katja Grieger: "Viele Frauen sagen uns, dass sie sich selbst fragen, warum sie dem Täter nicht zwischen die Beine getreten haben oder versucht haben, wegzulaufen und sagen - sie konnten es einfach nicht."

Nein heißt Nein

Opfer von sexuellen Übergriffen sollten vor Gericht nicht erklären müssen, warum sie unfähig waren, körperlichen Widerstand zu leisten - fordert Katja Grieger. Ihrer Ansicht nach sollten sexuelle Handlungen gegen oder ohne den ausdrücklichen Willen von Personen grundsätzlich strafbar sein. Ein klares Nein müsse reichen. Damit wären alle Fälle abgedeckt, in denen Betroffene - wenn auch nur mit Worten - deutlich machen: "Ich will das nicht! Hör auf!"

Kritiker einer solchen Nein-heißt-Nein-Regelung befürchten laut Katja Grieger, dass damit die freie Entfaltung der Sexualität in Deutschland gefährdet sein könnte. Eine Argumentation, die sie ganz und gar nicht nachvollziehen kann.

"Sobald eine beteiligte Person etwas nicht aus vollem freiem Willen und mit vollem Einverständnis tut - dann ist das keine Sexualität mehr, dann ist es ein Übergriff."
Shownotes
Kritik am neuen Sexualstrafrecht
Warum ein Nein reichen muss
vom 16. März 2016
Moderator: 
Thilo Jahn
Gesprächspartnerin: 
Katja Grieger, Leiterin des Bundesverbands "Frauen gegen Gewalt e.V."