Viele Menschen fühlen sich nachts auf dem Nachhauseweg unsicher. Ein Anruf beim Heimwegtelefon kann für ein besseres Sicherheitsempfinden sorgen. Aber wer spricht dort eigentlich?

Die beiden Freundinnen Anabell und Frances haben 2011 Heimwegtelefon e.V. gegründet – ein kostenloser Service, bei dem Leute nachts anrufen können, wenn sie sich auf dem Heimweg unwohl fühlen.

Auch Maren hat die Nummer inzwischen in ihrem Handy gespeichert. Auslöser war, dass sie mal nachts auf dem Weg von einem Geburtstag nach Hause ein gefährliches Erlebnis hatte: "Mir ist ein Mann auf einem Fahrrad entgegengekommen und der hat mich schon so komisch angeguckt. Ich hatte direkt ein eigenartiges Gefühl. Und weil man als Frau nachts so eine Art 360-Grad-Blick entwickelt, habe ich dann sehr schnell gemerkt, dass der umgedreht ist und mir gefolgt ist."

Die Angst auf dem Nachhauseweg

Maren hat dann eine Freundin angerufen, die noch wach war. Sie ist sich sicher, dass sie vor allem deswegen heil nach Hause kam – weil durch den Anruf klar wurde: Sie ist nicht alleine. Jemand weiß, wo sie gerade ist. Seitdem ist die Nummer des Heimwegtelefons in ihrem Handy gespeichert.

"Und das war der Moment, wo ich dachte: Ich muss mir unbedingt mal so eine Telefonnummer einspeichern wie das Heimwegtelefon."
Maren, hat sich auf dem Nachhauseweg schon unsicher gefühlt

Wenn sich sich jemand über das Heimwegtelefon meldet, dann nimmt beispielsweise Daniel diese Anrufe entgegen. Er kann die Situation, die Maren erlebt hat, sehr gut nachempfinden: "So eine übergriffige Situation zu erleben, das ist nicht einfach nur in diesem Moment unfassbar unangenehm und schmerzhaft, das wirkt darüber hinaus – über Tage, über Wochen, über Monate", erklärt er.

Aus Daniels Sicht ist vor allem männlich gelesenen Personen nicht klar, was für Auswirkungen solche Situationen auf andere Menschen haben: "Das führt dann tatsächlich dazu, dass diese Leute sich auch eben an uns wenden, diese Erfahrung schildern und wirklich ganz massiv Angst haben auf ihrem Weg."

Auch Sylvie hat nachts auf dem Weg nach Hause schon mal eine negative Erfahrung gemacht:

Sylvie, wurde nachts sexuell belästigt
"Als ich unterwegs war, ist ein Mann aus dem Hausgang getreten und hat angefangen, mich zu verfolgen."

Beim Heimwegtelefon engagieren sich 80 aktive, ehrenamtliche Mitglieder, die von Zuhause arbeiten. Alle Telefonist*innen durchlaufen vorher eine theoretische und eine praktische Ausbildung.

Heimwegtelefonist*innen werden geschult

Im praktischen Teil werden die Telefonate von einer erfahrenen Person eins zu eins begleitet, erklärt Daniel: "Dann können wir gemeinsam diese Gespräche auswerten: Hey, was hat da gut geklappt, was hat nicht so gut geklappt? Und vielleicht auch: Wie hast du dich jetzt damit gefühlt? Denn das ist uns ganz wichtig, dass es dir auch mit diesem Ehrenamt gut geht."

Wenn Anrufer*innen die Nummer des Heimwegtelefons wählen, dann stellt die Person am anderen Ende erstmal grundsätzliche Fragen:

  • Wie heißt du?
  • Wie alt bist du?
  • Wie lautet deine Telefonnummer?
  • Wo befindest du dich gerade?

Telefonist*innen wie Daniel rufen sich den Weg dann auf einer Karte auf und begleiten die Anruferin oder den Anrufer: "Dann kann ich virtuell an deiner Seite mitlaufen, bis du sagst: Ich habe die Situation wieder für mich im Griff, ich fühle mich wieder sicher. Oder eben, bis du an deinem Ziel angekommen bist."

Auch Notfälle kommen vor

Viele Anrufe verlaufen so, dass Betroffene aus einer unsicheren Situation herauskommen und sicher an ihr Ziel begleitet werden. Es gibt aber auch Anrufe, bei denen es zu Notfällen kommt. Das passiert, wenn die betroffene Person selbst darum bittet, dass Polizei oder Rettungsdienst gerufen werden. Auch Telefonist*innen können einschreiten, wenn sie das Gefühl haben, dass die betroffene Person Hilfe braucht, sich selbständig aber nicht organisieren kann.

"Wenn man so einen Notfall erlebt, lässt das einen wirklich nach wie vor, auch wenn man das schon eine Weile tut, zittern bis zum letzten Moment und darüber hinaus."
Daniel, engagiert sich beim Heimwegtelefon

Glücklicherweise passieren solche Situationen wirklich sehr sehr selten, erzählt Daniel. Er engagiert sich seit fünf Jahren beim Heimwegtelefon und hat inzwischen über 1.000 Anrufe begleitet.

Er beschreibt die Arbeit beim Verein auch als herausfordernd: "Wenn du jemanden dran hast und Hilfe organisierst und wirklich so lange dran bist, bis du merkst, jetzt kommt gerade die Polizei vorgefahren, jetzt kommt der Rettungsdienst und ist bei dieser Person – das ist wirklich etwas, das muss man erstmal irgendwie schaffen und das muss man auch erstmal verarbeiten."

Daniel ist dankbar, dass es mit dem Team vom Heimwegtelefon einen guten Austausch über solche Fälle gibt und niemand damit alleine bleibt.

Zunahme von Catcalling und Co.

Neben diesen seltenen Ausnahmesituationen gibt es aber noch ein anderes Thema, das Daniel durch dieses Ehrenamt nahegeht: "Wie massiv und hemmungslos gerade weiblich gelesene Personen diesem permanenten Catcalling und allem, was da drum passiert, ausgesetzt sind." Daniel sagt, dass er versucht, in seinem Freundes-, Bekannten- und Arbeitskreis dafür zu sensibilisieren.

Seit Daniel dieses Ehrenamt hat, ist die Zahl der Anrufe gestiegen. Er findet, allein das Einspeichern der Nummer – so wie Maren es gemacht hat – kann schon ein ganz wichtiger Schritt sein: "Allein das ist schon ein Plus im Sicherheitsgefühl: dass ich weiß, es gibt diese Option noch – für den Fall der Fälle."

Shownotes
Sicher nach Hause
Wer euch beim Heimwegtelefon begleitet
vom 24. April 2025
Moderator: 
Nik Potthoff
Autorin: 
Lena Rocholl, Deutschlandfunk-Nova-Reporterin