Wer nicht aufhören kann, an Pickeln, Wunden und anderen Hautstellen rumzuknibbeln, ist möglicherweise krank. Dermatillomanie oder Skin-Picking-Disorder ist eine psychische Erkrankung. Noch ist wenig darüber bekannt.

Klar, wohl jeder von uns knibbelt mal an Pickelchen oder kleinen Krusten rum. Bei Jana Süberkrüb (24) ist das aber anders: Seit ihrer Kindheit fügt sie ihrer Haut ziemlichen Schaden zu. Sie kann oft einfach nicht mehr aufhören, zu knibbeln, hat schon mehrere Therapieversuche gemacht - sie haben ihr geholfen, sie aber nicht geheilt. 

Heute studiert Jana Süberkrüb in Braunschweig Psychologie und hat eine Selbsthilfegruppe für Menschen initiiert, die an der Skin-Picking-Disorder leiden.

"Wirklich aufgefallen ist mir das erst, als ich von einer Freundin darauf angesprochen wurde."
Jana Süberkrüb

Wenn Jana Süberkrüb eine Piddel-Attacke überfällt, sei sie wie in Trance, berichtet sie. Sie bleibt dann meist vor dem Spiegel hängen und richtet vor allem an ihrer Gesichtshaut Schaden an. Jana Süberkrüb erzählt, sie kennt Betroffene, die so für bis zu sechs Stunden vor dem Spiegel stehen. Bei ihr sei es vielleicht eine Stunde. Danach ärgert sie sich oft über sich selbst.

Eine Art Zwangsstörung

Um ihre Hände abzulenken, etwa beim Fernsehschauen, benutzt sie oft einen Flummi. Viele Betroffene machen das ähnlich, sagt Jana Süberkrüb. "Und ich habe meinen Spiegel wieder abgehängt, damit ich nicht visuell getriggert werde."

"Es ist entspannend, aber es ist auch schmerzhaft - und auch nervig, weil ich dann oft in so eine Art Trance falle. Das heißt, ich komme da auch nicht so richtig raus."
Jana Süberkrüb

Um Menschen wie Jana zu helfen, hat die Psychologin Linda Mehrmann eine Online-Behandlungsmethode entwickelt. Sie sagt, für Betroffene sei dieses An-sich-Rumknibbeln nicht mehr kontrollierbar. Manche versuchten, die verletzte Haut durch Kleidung oder Make-up zu kaschieren. Langfristig könnte sich eine Depression entwickeln; manche verließen aus Scham kaum noch das Haus. 

"Sobald jemand sagt: 'Ich leide darunter und habe deshalb in meinem Alltag, in meinem Umfeld Probleme' - dann ist es eine Erkrankung von Behandlungswert."
Linda Mehrmann, Psychologin

An dem Online-Selbsthilfeprogramm "Knibbelstopp" von Linda Mehrmann haben zu Studienzwecken 43 Betroffene teilgenommen, 25 haben das Programm beendet. Ein Online-Selbsthilfebuch, Arbeitsblätter und Übungen sollten Hilfe bieten. Ihr Programm betrachtet die Psychologin als eine Möglichkeit der Überbrückung der Wartezeit auf einen Therapieplatz. Bei den meisten Teilnehmern habe sich das Knibbelverhalten tatsächlich verbessert, sagt Linda Mehrmann.

"Habit-Reversal-Training - also eine Gewohnheitsumkehr - ist ganz hilfreich."
Linda Mehrmann, Psychologin

Nicht eine Technik allein, sondern die Kombination vieler Techniken könne den Betroffenen helfen, so Linda Mehrmann. Sie empfiehlt, Trigger zu vermeiden und bestimmte Übungen der Gewohnheitsumkehr, sodass "ein alternatives Verhalten" gelernt werden kann. 

Die Skin-Picking-Disorder wurde 2013 erstmals als Krankheitsbild benannt und wurde als "Störung" definiert. Für Betroffene bedeutet das, dass es nun diagnostiziert werden kann - und Betroffene bekommen eine "Antwort auf ihr Leiden", wie Linda Mehrmann sagt.

Shownotes
Skin-Picking-Disorder
Wenn wir nicht aufhören können, zu knibbeln
vom 24. Februar 2019
Moderator: 
Thilo Jahn
Gesprächspartnerin: 
Jana Süberkrüb - hat eine Selbsthilfegruppe gegründet und Linda Mehrmann - forscht zur Skin Picking Disorder an der Uni Köln