Posten Accounts auf Social Media besonders viel, fragt sie der ein oder andere, ob da noch Menschen hinter stecken können, oder etwa Bots? Forschende gehen der Frage in Studien nach. Die Diskussion um Social Bots und ihre Existenz ist dabei sehr umstritten.
Es gibt ja wirklich Leute, die bei Twitter unglaublich viel Posten. Wenn es dabei immer um ein bestimmtes Thema geht, wie Zuwanderung oder Wahlen, dann sollten wir hellhörig werden. Das kann ein Indiz dafür sein, dass es sich um einen Bot handelt. Möglich ist auch, dass dieser Bot gezielt Informationen verbreitet – möglicherweise Falschinformationen.
In der Vorab-Veröffentlichung einer Studie der US-amerikanischen Carnegie Mellon University berichten Forschende beispielsweise über ein Programm, das sie zur Identifizierung von sogenannten Social Bots entwickelt haben. Wir haben darüber berichtet. Zwar wurde die Studie unter der Leitung der Forscherin Kathleen Carley bisher nicht widerlegt, aber sie umgibt eine kontroverse Diskussion.
Die Frage nach der Existenz von Social Bots
Unter Forschenden stellt sich innerhalb dieser Debatte nicht nur die Frage, ob beziehungsweise wie stark Social Bots die politische Meinungsbildung beeinflussen, sondern ob es sie überhaupt gibt.
Mit diesem Streitthema befasst sich unter anderem die Enquete-Kommission "Künstliche Intelligenz" des Deutschen Bundestages. Davon haben drei der Fachvertretenden Stellung bezogen. Einer von ihnen ist Professor Florian Gallwitz von der Technischen Hochschule Nürnberg. Er hält die Existenz von Social Bots für eine Verschwörungstheorie. In einer Stellungnahme schreibt er unter anderem über methodische Schwächen vergangener Studien, die er herausgearbeitet hat.
Hauptproblem: Definition von Social Bots
In der Debatte um Social Bots als Forschungsprojekt ist besonders die Definition von Bots ein Problem, erklärt Deutschlandfunk-Nova-Reporter Andreas Noll. Was verstehen die Forschenden unter einem Social Bot? Nach welchen Kriterien ist dieser definiert?
"Es gibt unter Forschern tatsächlich nicht nur eine Debatte darüber, ob bzw. wie stark Social Bots die politische Meinungsbildung beeinflussen, sondern ob es sie überhaupt gibt."
Viele Forschende bedienen sich daher an einem Kriterienkatalog, wie dem Bot-o-Meter. Ein umstrittenes Tool, das Bots anhand von 1200 Kriterien ausfindig machen soll. Umstritten unter anderem deswegen, weil viele vermeintliche Treffer auch falsch sind.
Ein Kriterium ist zum Beispiel die 50-Tweet-Marke. Profile, die eben mehr als 50 Tweets pro Tag posten, sollen so auf den Einsatz von Bots hinweisen. Dahinter steckt die Annahme, das Posten von 50 Tweets oder mehr pro Tag sei durch einen Menschen unwahrscheinlich. Auch ist das Abschicken von Tweets von verschiedenen Standorten innerhalb kurzer Zeit ein Kriterium für die potenzielle Bot-Aktivität.
Besonders präzise ist das allerdings nicht, so Andi Noll. Die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen in Studien fälschlicherweise für einen Bot gehalten werden, sei demnach durchaus gegeben.
"Weil man diese Bots ja in der Regel nur aus der Ferne beobachten kann, versucht man über bestimmte Kriterien diese Bots zu definieren."
Wenn also in Studien die Aktivität von Bots in den sozialen Medien untersucht wird, können die Ergebnisse immer hinterfragt werden. Ob es – wie im Fall der Vorab-Studie der US-amerikanischen Carnegie Mellon University in Pittsburgh – jetzt beispielsweise im Zusammenhang mit dem Coronavirus 82 Prozent der Top 50 einflussreichsten Retweet-Accounts Bots sind, kann also hinterfragt werden. Ob es deshalb angezweifelt werden muss, ist die andere Frage. Unser Reporter findet nein.
"Die in den Studienergebnissen veröffentlichten Prozentzahlen sollten als das Ergebnis einer Berechnung betrachtet werden, nicht als festgeschriebener Maßstab."
Der Mythos der unkontrollierbaren Datenkrake
Andreas Noll vermutet als ein Problem des Streits über Social Bots eine irreführende Annahme darüber, wie ein Bot agiert. "Da stellt man sich dann eine von fremden Mächten gesteuerte digitale Krake vor, die Meinungen manipuliert und unkontrollierbar ist", erklärt er. Wobei hingegen Userinnen und User mit wenigen Handgriffen und Tools ebenfalls ihre Tweets automatisch posten oder ihre Botschaften verstärken könnten.