Laura Schwengber ist Gebärdensprachdolmetscherin. Lieder in Gebärde zu übersetzen, hielt sie anfangs für unmöglich. Jetzt steht sie bei Konzerten auf der Bühne oder dolmetschte im Livestream für den ESC. Das Wichtigste dabei: Die Gefühle müssen rüberkommen.
Laura bekam das Angebot als Gebärdensprachdolmetscherin Songs simultan zu übersetzen. Ihr erster Gedanke: Coole Idee, aber völlig unmöglich. Je länger sie darüber nachdachte, desto wichtiger erschien es ihr, dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen. Denn was auch viele Bands nicht wissen: Zu ihren Konzerten kommen nicht nur hörende Menschen. So ging es auch den Jungs von der Band Neufundland, die gemeinsam mit Laura ein Video für ihr Ton-Steine-Scherben-Cover "Halt dich an deiner Liebe fest" produziert haben.
"Wir haben Laura das erste Mal auf der Cologne Music Week gesehen. Da hat die Laura schon für andere Bands simultan übersetzt, dazu performt und getanzt. Wir hatten sowas noch nie vorher gesehen und waren super beeindruckt."
Musik ist ihre Leidenschaft: Laura Schwengber beim Adele-Konzert in Berlin
Ein Wort, das Laura am Anfang ihrer Ausbildung als Gebärdensprachdolmetscherin gelernt hat, ist Inklusion. Als Gebärde sieht es so aus, als ob man die umstehenden Menschen mit einer kreisrunden Handbewegung einsammelt und symbolisch von oben in die leicht geschlossene Hand steckt. Ein Bild, das Laura viel bedeutet: Wir alle zusammen in einer Gesellschaft.
Deswegen liegt ihr das Angebot der simultanen Gebärdensprachübersetzung für den ESC sehr am Herzen. Immer mehr Bands - wie zum Beispiel die Gruppe Selig - holen Laura auf die Bühne. Dass Laura Spaß am Musikdolmetschen hat, sieht man ihr an. Sie gestikuliert, lacht, zieht Grimassen, wiegt sich, hüpft und tanzt. Und reißt das gesamte Publikum mit.
Laura Schwengber dolmetscht die Cover-Version des Songs "Halt dich an deiner Liebe fest"
"Ich finde, gerade beim Musikübersetzen, beim Musikdolmetschen ist es unheimlich wichtig, dass man selber Spaß dran hat. Wenn ich den Song gut finde, wird die Übersetzung tausendmal besser."
Oft muss sie sich lange auf solche Auftritte vorbereiten. Sie lernt die Texte, studiert die Abläufe ein, denkt sich zum Rhythmus passende Choreografien aus, spielt Luftgitarre oder Luftkeyboard.
Bei einem ihrer Auftritte hatte sie das Gefühl, dass sich die Zuschauer die ganze Zeit nebenbei unterhielten. Sie war ein wenig verärgert darüber, weil sie sich so viel Mühe für die Vorbereitung gegeben hatte. Erst nach dem Konzert erfuhr Laura von einer Kollegin, dass die Konzertbesucher in Gebärdensprache mitgesungen hatten. Für Laura zeigt das, wie wichtig die Arbeit des Musikdolmetschens ist, weil es alle gemeinsam an einer Musikveranstaltung teilhaben lässt, egal, ob taub, stumm oder hörend.
"Ich glaube, jemand, der stocktaub ist, und sich so ein Video anguckt, weiß danach nicht, wie ein Cello klingt. Der weiß danach auch nicht, wie der Unterschied zwischen einem großen und einem kleinen Becken an einem Schlagzeug klingt - aber wissen wir Hörende das denn?"
"Musikdolmetscher" Tommy Krångh
Laura versteht sich als Sprachmittlerin. Neben ihrem Studium der Gebärdensprachpädagogik an der Humboldt-Universität in Berlin fliegt sie weltweit zu Tagungen, Workshops und Konzerten.
Dass sie heute als Gebärdensprachdolmetscherin arbeitet, hängt damit zusammen, dass ihr bester Freund Edi als Kind ertaubte und erblindete. Gemeinsam mit Laura entwickelte er eine Geheimsprache, damit sie weiter miteinander spielen konnten. Er war es, der Laura später ermunterte, sich zur Gebärdensprachdolmetscherin ausbilden zu lassen. Ursprünglich wollte sie Musikerin und Schauspielerin werden. Heute verbindet sie ihre Leidenschaften als Musikdolmetscherin. Die Resonanz ist überwältigend für sie. Manchmal besuchen Gehörlose allein ihretwegen ein Konzert.
"Wenn ich sage 'die Katze sitzt auf dem Tisch', muss ich zuerst sagen 'Tisch, Katze, drauf sitzen', ich brauche zuerst das große Objekt, um zu sagen, wo drauf die Katze eigentlich sitzt, weil ich sonst die Katze gebärdensprachlich irgendwo in die Luft hänge."
- Gewinnersong Jamala "1944" in Gebärdensprache | Laura beim "Musikdolmetschen" für den ESC