Zu teuer, zu chaotisch, zu wenig Kontrolle: Der ehemalige Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) steht wegen seiner Corona-Maskengeschäfte in der Kritik. 5,9 Milliarden Euro wurden ausgegeben. Doch viele Masken wurden nie genutzt. Paula Piechotta (Grüne) sagt: Was passiert ist, darf nicht unter den Tisch fallen.
Eine Befragung der Sonderermittlerin Margaretha Sudhof im Haushaltsausschuss des Bundestags sollte Klarheit in die Maskenaffäre um Ex-Gesundheitsminister Spahn bringen. Doch die Opposition ist mit dem Ergebnis unzufrieden – so auch die Grünen-Politikerin Paula Piechotta: "Es steht Aussage gegen Aussage. Entweder haben Jens Spahn gelogen oder Frau Sudhof."
"Es steht Aussage gegen Aussage. Entweder haben Jens Spahn gelogen oder Frau Sudhoff."
Da vor dem Haushaltsausschuss keine Aussagen unter Eid möglich seien, werde sich das auch in weiteren Beratungen nicht aufklären lassen.
Eigenmächtig und gegen den Rat anderer gehandelt
Rückblick: Als Corona 2020 ausbrach, mangelte es schnell an Masken in Deutschland. Die Produktion fand größtenteils in Asien statt. In dieser Lage zählte vor allem, rasch genügend Masken zu beschaffen, sagt unser Hauptstadt-Korrespondent Volker Finthammer, unter anderem zuständig für Gesundheitsthemen.
Jens Spahn hat zwar Masken beschafft, handelte dabei aber laut Berichten höchst eigenmächtig – ohne Abstimmung mit anderen Ministerien und teils gegen den Rat aus dem eigenen Haus. In die eigene Tasche wirtschaftete er zwar nicht, bevorzugt aber bestimmte Unternehmen im Prozess, so der Vorwurf.
"Spahn hat höchst eigenmächtig gehandelt, unabgestimmt mit anderen Ministerien auch gegen den Rat aus seinem Ministerium."
5,9 Milliarden Euro wurden ausgegeben, viele der Masken blieben ungenutzt oder wurden verbrannt. Der tatsächliche Schaden lässt sich derzeit nicht beziffern. Im Raum steht eine Ausgangssumme von 2,3 Milliarden Euro, die für bestellte, aber nicht abgenommene Masken nicht gezahlt wurden. Unternehmen klagen nun, während weiter Zinsen anfallen.
Maskenaffäre – viele Fragen bleiben offen
Jens Spahn verteidigt sich mit dem Hinweis auf die damalige Ausnahmesituation, in der viele Fehler gemacht hätten. Unser Korrespondent hält das teils für nachvollziehbar: Die Lage war unübersichtlich, schnelles Handeln nötig. Das oft eigenmächtige Handeln und Ignorieren von Ratschlägen bleibt jedoch politisch haften.
Die Frage ist: Wann jemand Konsequenzen zieht, wie es in anderen Fällen häufig geschehen ist, so unser Korrespondent. Das passiert hier nicht. Spahn genießt offenbar starken Rückhalt, sowohl aus der Union als auch von der SPD, die eher schweigsam ist.
Trotz Spahns Verantwortung und der Kritik an seinem Vorgehen: In der Zeit waren viele Akteure beteiligt. Es gab gemeinsame Runden mit den Ministerpräsidenten und der Kanzlerin – ohne, dass jemand das Vorgehen stoppte oder auf das Beschaffungsamt verwies, was unseren Korrespondenten wundert.
Opposition fordert Untersuchungsausschuss
Die Opposition fordert einen Untersuchungsausschuss, um die Vorwürfe gegen Jens Spahn aufzuklären. Paula Piechotta von den Grünen treibt das besonders voran. Doch für einen solchen Ausschuss braucht es 25 Prozent der Stimmen – aktuell fehlen acht Stimmen. Da man eine Zusammenarbeit mit der AfD ablehnt, bleiben als mögliche Unterstützer nur die Union selbst oder die SPD als Koalitionspartner.
Die Opposition fordert einen Untersuchungsausschuss, um die Vorwürfe gegen Jens Spahn aufzuklären. Paula Piechotta von den Grünen treibt das besonders voran. Doch für einen solchen Ausschuss braucht es 25 Prozent der Stimmen – aktuell fehlen acht Stimmen. Da man eine Zusammenarbeit mit der AfD ablehnt, bleiben als mögliche Unterstützer nur die Union selbst oder die SPD als Koalitionspartner.
"Die Regierung möchte sich nicht sagen lassen, dass sie Linke und uns in die Arme der Afd treibt, damit wir ureigene Oppositionsrechte durchsetzen können."
Die Grünen-Politikerin glaubt, die Koalitionsfraktionen müssten sich nicht offen gegen ihren Partner stellen. Ein Untersuchungsausschuss werde immer wahrscheinlicher, weil die Negativschlagzeilen rund um Spahn, die CDU und das Gesundheitsministerium nicht abreißen und die Regierung belasten.
Nur ein Ausschuss könne alle nötigen Informationen liefern, um Milliardenverluste für den Staat zu vermeiden. Außerdem wolle die Regierung sicher nicht riskieren, dass Linke und Grüne in die Arme der AfD getrieben werden, um ihr Oppositionsrecht durchzusetzen.
Spahn spricht von Lügen
Jens Spahn wehrt sich offensiv gegen die Vorwürfe, spricht von Lügen und zieht Parallelen zur AfD. Paula Piechotta entgegnet: Spahn behaupte, der Bericht von Frau Sudhoff enthalte nichts Neues, doch eine einfache Google-Suche zeige das Gegenteil. Sie wirft ihm vor, mit Emotionen und Beschimpfungen zu reagieren, statt Kritik mit Fakten zu entkräften – seit über einem Jahr bleibe er konkrete Widerlegungen schuldig.
Jens Spahn beruft sich auf den Ausnahmezustand und betont, man habe nach bestem Wissen gehandelt. Für Paula Piechotta reicht das nicht: Die akute Krisenphase dauerte nur wenige Wochen. Spahn habe erfahrene Fachleute übergangen, Aufgaben an sich gezogen und dabei mehr Fehler gemacht als nötig.
"Der normale Mensch würde sofort zurücktreten"
Für die Grünen-Politikerin liegt der zentrale Punkt allerdings darin, dass Jens Spahn auch nach der Akutphase weiter überteuerte Maskenverträge abschloss. Selbst als FFP2-Masken längst für unter einen Euro zu haben waren, zahlte das Ministerium teils bis zu sieben Euro pro Stück.
Zudem habe Spahn in Fällen, in denen Schadensersatz wegen Qualitätsmängeln möglich gewesen wäre, auf Forderungen verzichtet. Damit habe er die Interessen von Firmen über die der Steuerzahler gestellt – obwohl es um Milliarden geht, die den Bundeshaushalt langfristig belasten.
"Der normale Mensch würde in dieser Situation sofort zurücktreten und sich wahrscheinlich auch entschuldigen."
Zuerst müsse vollständig aufgeklärt werden, was passiert ist, dann sei eine Entschuldigung nötig – verbunden mit ehrlicher Kommunikation. Spahn aber habe sich weder entschuldigt noch Verantwortung übernommen, obwohl der entstandene Schaden ein Vielfaches der Maut-Affäre betrage. "Der normale Mensch würde in dieser Situation sofort zurücktreten", findet Piechotta.
Untersuchungsausschuss vs. Enquete-Kommission
Satt einem Untersuchungsausschuss findet Jens Spahn eine Enquete-Kommission besser. Das hat Gründe: Ein Untersuchungsausschuss ist das schärfste Mittel der Opposition, so unser Korrespondent. Er ähnelt einem Gericht, Zeugen müssen unter Eid aussagen, es gibt tiefgehende, persönliche Vernehmungen und eine detaillierte Aufarbeitung – fast wie ein juristisches Verfahren.
"Der Untersuchungsausschuss ist das schärfste Schwert, das die Opposition anwenden kann."
Eine Enquete-Kommission dagegen arbeitet eher grundsätzlich. Sie analysiert das Geschehen in groben Zügen und zieht Lehren für die Zukunft. Genau das planen SPD und Grüne nun: Diesen Donnerstag (10.07.2025) soll eine solche Kommission im Bundestag eingesetzt werden.
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