In Interviews nach Fußballspielen, bei Reden von Politiker*innen, im persönlichen Gespräch – Phrasen, die oft einfach so daher gesagt erscheinen, begegnen uns andauernd. Doch was erstmal nur als Lückenfüller erscheint, kann uns durchaus helfen, dem Gegenüber besser zu erklären, was wir meinen.
"Am Ende des Tages…", "Wenn ich ganz ehrlich bin…", "Jetzt lass doch mal die Kirche im Dorf!" Phrasen hauen wir gerne alle einmal schnell raus. Doch warum machen wir das? Neurowissenschaftlicher Henning Beck hat dafür eine Erklärung: Phrasen helfen uns dabei, das, was wir sagen wollen, in Häppchen zu kommunizieren.
"Phrasen sind eine Art Muster in unserem Denken, das es uns ermöglicht, eine Sprache in Häppchen zu kommunizieren."
Außerdem gewinnen wir durch eine Phrase am Anfang des Satzes nicht nur Zeit, über unsere Botschaft nachzudenken, sondern können häufig auch mithilfe von nur einer Phrase einen ganzen Gedanken schnell und klar vermitteln. Sie sind also wichtige Bausteine in unserer Kommunikation.
Wie Sätze entstehen
Die Sprache ist für das Gehirn immer wieder eine große Herausforderung, sagt Neurowissenschaftler Henning Beck. Dafür werden mehrere Areale beansprucht, wie beispielsweise das Wernicke-Areal und das Broca-Areal, die beide bei den allermeisten Menschen in der linken Gehirnhälfte liegen.
Das Wernicke-Areal ist unter anderem dafür verantwortlich, zu verstehen, was gerade gesagt wird. Das Broca-Areal dagegen sorgt für die Erzeugung von Wörtern oder ganzen Sätzen, erklärt Henning Beck. Während wir also zuhören, fängt unser Broca-Areal schon an, Sätze zu basteln und schickt diese dann an die Areale, die dafür zuständig sind, dass sich unser Kiefer bewegt und wir die Sätze physisch aussprechen können.
Sprache als "zwischenbewusster Zustand"
Sprache ist laut Henning Beck eine Art "zwischenbewusster Zustand". Natürlich können wir uns vornehmen, bestimmte Dinge zu sagen, aber eigentlich ist die Sprache so schnell, dass wir vorher den Gedanken kaum bewusst formulieren können.
"Sprache ist so schnell, dass du bewusst vorher den Gedanken kaum formulieren kannst."
Kein anderes Lebewesen kann so gut wie der Mensch, Gefühle, Geschichten und Gedanken in Worte packen, erklärt Henning Beck weiter.
Eigene Phrasen erfinden
Wer genervt von den eigenen Phrasen ist und gerne mal auf Phrasen-Detox gehen möchte, dem rät Henning Beck, sich immer wieder bewusst vorzunehmen, sich zu fragen: Kann ich das, was ich gleich sagen möchte, auch anders ausdrücken?
Was auch helfen kann: sich von altbekannten Phrasen zu lösen und neue auszudenken. Menschen, die das häufig machen und gut darin sind, werden auch häufig als sehr kreativ und besonders intelligent angesehen, erklärt der Neurowissenschaftler.
"Jeder, der seinem Gehirn etwas Gutes tun will: einfach mal eine Phrase oder ein Sprachbild selbst erfinden. Das ist eigentlich die höchste Form des Denkens."