Wann hört Umwerben auf und wo fängt Stalking an? Romantische Komödien vermitteln uns da oft falsche Vorstellungen, sagt eine neue Studie aus den USA.

Laut einer neuen Studie der Universität Michigan glauben wir eher an Mythen über Stalking, wenn wir vorher Filme gesehen haben, "in denen das Männchen das Weibchen jagt", erklärt DRadio-Wissen-Autorin Anna Kohn. Diese Mythen sind beispielsweise Sätze wie: "Jeder Stalker muss sein Stalking-Objekt sehr leidenschaftlich lieben“ oder "I Did It Because I Never Stopped Loving You".

Noch Umwerben - oder schon Stalking?

Solche Sätze transportieren ein viel zu positives Bild vom Stalken. Aber es passt so gut, weil wir das eben auch von der Gesellschaft so lernen: Der Mann umwirbt die Frau, die Frau lässt sich das gefallen. Anfang 2015 sei ein Inder in Australien sogar vor Gericht damit weggekommen, dass er zwei Frauen gestalkt hat, weil sein Anwalt argumentiert habe, sein Mandant sei von Bollywood-Filmen beeinflusst worden, berichtet Anna Kohn: "In diesen Filmen sei es schließlich auch oft so, dass die Frauen lange Zeit erst gar nicht auf die 'Aufmerksamkeit' der Männer reagieren."

"Es handelt sich um ein Machtspiel - von Stalkerseite aus."

"Es gibt verschiedene Definitionen von Stalking", erklärt unsere Autorin Anna Kohn. In der Regel gehe man davon aus, dass sich Stalking zunächst einmal über einen längeren Zeitraum hinwegzieht - von etwa vier Wochen bis hin zu mehreren Monaten oder sogar Jahren. Typische Verhaltensweisen sind dabei, dass der Stalker oder die Stalkerin:

  • ständig im Büro oder Zuhause anruft
  • den anderen Menschen belästigt und verfolgt
  • permanent Liebesbriefe und Geschenke schickt

Meistens sei der Täter gar kein Unbekannter - sondern der Ex-Partner, sagt Karl-Günther Theobald, der als Psychologe beim Weißen Ring arbeitet, einem Verein zur Unterstützung von Kriminalitätsopfern. Auch deshalb falle es vielen Opfern vielleicht nicht leicht, das Verhalten der Täter wirklich als "Stalking" zu identifizieren und benennen.

"Was die Opfer stark belastet ist, dass sie zunehmend in die Isolation gedrängt werden. Deswegen empfehlen wir: Veröffentlicht, was euch da passiert ist."

Unter den Tätern sind auch Frauen - 85 Prozent der Stalker sind nach Angaben des Weißen Rings jedoch Männer. Um sich gegen Stalking zu wehren, raten Opferverbände und Polizei: Deutlich sagen, dass man keinen Kontakt mehr möchte - und den Stalker von da an ignorieren - also auch nicht mehr auf Anrufe oder Ähnliches reagieren.

Neues Gesetz soll Stalkingopfer besser schützen

Auch eine Anzeige bei der Polizei ist möglich - und viele Stalker lassen ihr Opfer tatsächlich nach einer ersten Intervention durch die Polizei in Ruhe. Falls jedoch nicht, war bislang das Problem, dass nach einer Anzeige erst einmal geprüft wurde, ob das Stalkingopfer sein Leben weitgehend ändern musste - also zum Beispiel umziehen musste. "Es ging also nur um die Reaktion des Opfers und nicht darum, was der Stalker gemacht hat", erklärt DRadio-Wissen-Autorin Anna Kohn.

Bereits 2014 gab es eine Petition gegen diesen Paragrafen im Strafgesetzbuch - wirklich geändert hat sich bis jetzt noch nichts, aber: Bundesjustizminister Heiko Maas hat vor Kurzem angekündigt, dass Stalkingopfer vom Gesetz besser geschützt werden sollen. Ein Gesetzentwurf sieht unter anderem Gefängnisstrafen vor, wenn jemand das Leben eines anderen Menschen beeinträchtigt, indem er ständig anruft oder auf andere Weise Nähe sucht. Bis dieser Entwurf im Bundestag ankommt, dürfte es jedoch noch gut ein halbes Jahr dauern.

Mehr im Netz:

Shownotes
Stalking-Studie
Zu positives Bild vom Stalker
vom 09. Februar 2016
Moderator: 
Till Haase
Gesprächspartnerin: 
Anna Kohn, DRadio Wissen