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Horst Seehofer ringt seit Wochen mit Angela Merkel. Das eigentliche Thema, die Einwanderungspolitik, ist längst in den Hintergrund getreten. Ein Blick auf den schier endlosen Streit in der Union.

Die Auseinandersetzung zwischen CDU und CSU über die Asylpolitik läuft seit Wochen. Für den 2. Juli hat Horst Seehofer ein letztes Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel angekündigt - am Abend des 2. Juli kam es zwischen beiden Parteien zu einer Einigung. Horst Seehofer soll Innenminister bleiben. Über den aktuellen Stand berichtet Dlf24.de.

Wir haben vor der Einigung mit Klaus Remme, unserem Korrespondenten in Berlin, über die Gespräche und den Dauerstreit gesprochen.

"Das ist ein bisschen eine Achterbahnfahrt, und das gilt nicht nur für die CSU, das gilt auch für die CDU."
Klaus Remme, Korrespondent in Berlin

Spätestens mit seinem  Rücktrittsangebot vom 1. Juli hat  CSU-Chef und Bundesinnenminister Horst Seehofer den Konflikt zur Regierungskrise ausgeweitet. Sollte die CSU ihre Fraktionsgemeinschaft mit der CDU beenden, hätte die Große Koalition von CDU und SPD mit Bundeskanzlerin Angela Merkel keine Mehrheit mehr im Deutschen Bundestag.

Streitbeginn: Mitte Juni

Der Konflikt zwischen CDU und CSU zeichnete sich seit Mitte Juni ab. Der bisherige Verlauf: 

  • In der Talkshow Anne Will spricht sich Angela Merkel am 10. Juni gegen die CSU-Forderung nach einer Zurückweisung bestimmter Asylbewerber an der deutschen Grenze aus. Sie wolle, dass Deutschland "nicht einseitig national" handle.
  • Die für den 12. Juni geplante Vorstellung von Horst Seehofers Masterplan Migration wird abgesagt. Grund sind Meinungsverschiedenheiten in der Frage der Zurückweisung von Flüchtlingen. Die CSU beharrt auf ihrer Forderung. Unterstützung bekommt Seehofer auch aus den Reihen der CDU. Ein abendliches Krisentreffen zwischen Angela Merkel und Horst Seehofer am 13. Juni endet ohne Annäherung. Die Bundeskanzlerin will bis zum EU-Gipfel Ende Juni Zeit gewinnen und bilaterale Vereinbarungen mit anderen Staaten treffen. Die CSU will umgehend handeln.
  • Der Konflikt eskaliert: Am 14. Juni muss die laufende Bundestagsdebatte unterbrochen werden, die Abgeordneten von CDU und CSU beraten in getrennten Sitzungen stundenlang über den Asylstreit. Horst Seehofer droht Angela Merkel mit einem nationalen Alleingang. Ein Bruch zwischen den Schwesterparteien scheint möglich.
  • CDU und CSU einigen sich am 18. Juni darauf, dass Angela Merkel bis zum EU-Gipfel zwei Wochen Zeit bekommt, europäische Lösungen oder bilaterale Absprachen mit anderen EU-Staaten zu erreichen. Umgehend zurückgewiesen werden sollen aber Flüchtlinge mit Einreise- oder Aufenthaltsverbot. Angela Merkel verweist auf ihre Richtlinienkompetenz als Kanzlerin.
"Sollte Horst Seehofer im Amt bleiben, ist er selbst so beschädigt, dass mit ihm als Schwergewicht nicht wirklich etwas anzufangen ist."
Klaus Remme, Korrespondent in Berlin
  • Ein Spitzentreffen von CDU, CSU und SPD am 26. Juni bringt in der Frage der Grenzschließungen keine neuen Ergebnisse. 
  • Beim EU-Gipfel in Brüssel am 28. Juni verständigen sich die Teilnehmer auf einen härteren Kurs in der Flüchtlingspolitik. Aus Seenot gerettete Menschen sollen in Aufnahmezentren in EU-Ländern untergebracht, der Grenzschutz ausgebaut werden. Wanderungsbewegungen von Flüchtlingen innerhalb der EU sollen möglichst verhindert werden. Dabei sollen die EU-Staaten eng zusammenarbeiten.
  • Am 29. Juni gibt Angela Merkel bekannt mit Spanien und Griechenland bilaterale Rücknahmeabkommen für dort bereits registrierte Flüchtlinge vorzubereiten. Im Gegenzug soll Deutschland gemäß den EU-Regeln Flüchtlinge zu ihren bereits in Deutschland anerkannten Angehörigen reisen lassen. Am Abend informiert Angela Merkel Horst Seehofer und die SPD-Chefin Andrea Nahles über weitere Beratungsergebnisse. Demnach gelangen auch Absprachen mit 14 weiteren EU-Staaten zur Beschleunigung der Rücknahme von Flüchtlingen in sogenannten Dublin-Fällen. Polen, Ungarn und Tschechien dementieren dies allerdings später.
  • Am 30. Juni treffen sich Angela Merkel und Horst Seehofer zu einem Vieraugengespräch im Kanzleramt. Horst Seehofer sieht dabei offenbar kein Entgegenkommen der Kanzlerin und bewertet die Ergebnisse ihrer Verhandlungen in Brüssel als ungenügend.
  • Am 1. Juli kommen CDU und CSU in getrennten Sitzungen in Berlin und München zusammen, die sich über viele Stunden bis tief in die Nacht ziehen. In der CSU-Sitzung bietet Seehofer auch seinen Rücktritt als Parteichef und Bundesinnenminister an. Zum Abschluss erklärte er sich zu einem weiteren Gespräch über eine mögliche Einigung mit Angela Merkel am Montag, den 2. Juli, bereit.

Die Politikwissenschaftlerin Svenja Krauss meint, dass der Dauerstreit Horst Seehofer weitaus mehr schade als nützte - jedenfalls was seine Umfragewerte angehe.

Wir haben mit ihr vor der überraschenden Einigung zwischen CDU/CSU am Abend des 2. Juli gesprochen - über die Folgen des Konflikts für die CSU und die Landtagswahlen in Bayern am 14. Oktober.

"Wenn man sich die Umfragen anschaut, dann ist Angela Merkel selbst unter den CSU-Anhängern beliebter als Horst Seehofer."

Über die aktuelle Entwicklung informieren unsere Sendung Hielscher oder Haase, unsere Nachrichten sowie Dlf24.de.

Unser Bild zeigt Angela Merkel und Horst Seehofer bei einer Gedenkveranstaltung für die Opfer von Flucht und Vertreibung im Deutschen Historischen Museum in Berlin am 20. Juni 2018.

Mehr zum Streit zwischen CDU/CSU:

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de

Shownotes
CDU versus CSU
Chronik und Bewertung des Machtkampfs in der Union
vom 02. Juli 2018
Moderation: 
Sonja Meschkat
Gesprächspartnerin: 
Svenja Krauss, Politikwissenschaftlerin an der HU Berlin
Gesprächspartner: 
Klaus Remme, Korrespondent in Berlin