"Die Wildtiere haben verstanden, dass man in der Stadt ganz gut leben kann", sagt Geva Peerenboom. Die Forstwirtin plädiert für ein konfliktfreies Zusammenleben von Menschen und Wildtieren in der Stadt.

Über den Fall aus Berlin wundert sich Geva Peerenboom nicht. Im Sommer hatten am Teufelssee Wildschweine für Schlagzeilen gesorgt. Manche hatten sich einfach an den Picknickdecken der Menschen dort etwas zu fressen geholt. Ein anderes Wildschwein wurde von einem nackten Mann verfolgt, weil es seinen Laptop in einer Tüte geklaut hatte.

Wildschweine am Berliner Teufelssee suchen nach Futter
© dpa
Wildschweine am Berliner Teufelssee suchen nach Futter

Die Diplom-Forstwirtin weiß genau, wo und welche Wildtiere in den Stadtraum vordringen. In einem Forschungsprojekt für die Uni Freiburg hat sie sich unlängst damit beschäftigt, welche Art von Konflikten zwischen Mensch und Wildtier entstehen und wie diese Konflikte entschärft werden können.

Wildtiere finden in Städten viel zu fressen

Wildtiere kommen selten aus bedrohlicher Absicht zu uns in die Städte, stellt Geva Peerenboom klar. Wenn aber beispielsweise ein neues Wohngebiet entsteht, findet sie es nachvollziehbar, dass "die Tiere, die in der Nähe wohnen, mal gucken kommen, um zu schauen, was es denn so leckeres gibt."

"Tatsächlich haben Wildtiere genauso wie der Mensch gemerkt, dass es in der Stadt sich ganz gut lebt."
Geva Peerenboom, Diplom-Forstwirtin

Natürlich finden Wildtiere wie Füchse, Marder, Gänse oder auch Wildschweine einen recht komfortablen Lebensraum vor, meint Geva Peerenboom. Zum einen finden die Tiere grüne Parks genauso schön wie wir Menschen. Zum anderen finden sie in Mülleimern oder auf Schulhöfen ausreichend Futter.

"Wenn man sich vorstellt: Nach der großen Pause, wie viele Schulbrote auf einem Pausenhof rumliegen, da findet so ein Fuchs oder eine Krähe genug zu essen."
Geva Peerenboom, Diplom-Forstwirtin
Geva Peerenboom
© Geva Peerenboom
Geva Peerenboom

Wie wohl sich die Wildtiere bei uns in den Städten langfristig fühlen, hänge davon ab, was wir zulassen, meint Geva Peerenboom. Als Beispiel nennt sie eine Stadt in Äthiopien. Dort leben unglaublich viele Hyänen, weil sie von den Menschen dort toleriert und sogar gefüttert werden. Das hänge mit der Entstehung der Stadt zusammen, erläutert die Diplom-Forstwirtin.

Die Hyänen hätten verstanden, dass sie etwas zu Fressen bekommen, wenn sie die Menschen in Ruhe lassen. Und inzwischen ginge es sogar so weit, dass Touristen Fleisch kaufen können, um abends dann Hyänen zu füttern.

Wildschweine und Füchse zu streicheln, ist keine gute Idee

Verglichen mit anderen Ländern sind unsere Wildtiere aber wirklich eher harmlos. Während es in Rumänien Braunbären auf der Straße gibt oder in Mumbai Leoparden, kommen unsere Kaninchen, Wildscheine oder Füchse eher friedlich daher. Wobei es schon ratsam sei, den Tieren mit Respekt zu begegnen. Einen Fuchs streicheln zu wollen, sei keine gute Idee, sagt Geva Peerenboom. Sie rät, sich ruhig zu verhalten – und vielleicht sogar ein Foto zu machen.

"Ruhig verhalten, Abstand halten, nicht versuchen zu streicheln und auch nicht zu füttern. Vielleicht die Kamera auspacken, Foto machen."
Geva Peerenboom, Diplom-Forstwirtin

Der Hauptkonflikt zwischen Wildtieren und Menschen entsteht aus unserer Angst, meint Geva Peerenboom. "Dann geht der Puls hoch", sagt sie. Zwar seien auch schon einmal Wildschweine durch Glas gelaufen und es hätten auch schon einmal welche im Wohnzimmer gestanden. Grundsätzlich seien die Tiere Menschen gegenüber aber skeptisch. Außerdem gebe es gar nicht so viele Angriffe, wie man glaubt, sagt sie. "Es heißt ja immer, unser gefährlichstes Wildtier ist die Zecke."

Wenn aber Menschen einen Fuchs im Garten haben, kann es durchaus sinnvoll sein, sich fachliche Beratung zu holen. Wenn der Fuchs Jungtiere hat, könne es eventuell gefährlich sein, seine Kinder im Garten spielen zu lassen. Da müsse man dann nach Lösungen suchen.

Wildtiere zu treffen, ist auch eine schöne Erfahrung

Die Forstwirtin betont aber auch, dass es für die meisten Menschen eine besondere und schöne Erfahrung sei, in der Stadt einem Wildtier zu begegnen. In manchen Fällen ist es sicherlich auch aufregend, wenn sich beispielsweise Fledermäuse in die Wohnung verirren. Tieren, die nicht mehr alleine herausfinden, könne man versuchen zu helfen, oder sich kompetente Hilfe holen.

Manche Menschen reagierten aber auch etwas empfindlich auf Wildtiere. Geva Peerenboom berichtet davon, dass auch schon Beschwerden über das Quaken der Frösche im Gartenteich eingegangen seien.

"In einem Telefonat mit Naturschutzbehörden haben sich Leute über quakende Frösche im Gartenteich beschwert. Man kann sich auch natürlich Probleme schaffen."
Geva Peerenboom, Diplom-Forstwirtin

Schlussendlich plädiert Geva Peerenboom für ein gewisses Level an Toleranz gegenüber Wildtieren in Städten. Sie wünscht sich, dass wir bei Begegnungen mit ihnen immer noch einmal hinterfragen, ob es sich hier jetzt wirklich um einen ernsthaften Konflikt handelt oder nicht. Und dass wir die Tiere einfach in Ruhe lassen.

Shownotes
Forstwirtin Geva Peerenboom
Wildtiere in der Stadt: Plädoyer für gute Nachbarschaft
vom 18. Oktober 2020
Moderator: 
Sebastian Sonntag
Gesprächspartnerin: 
Geva Peerenboom, Forstwissenschaftlerin, Spezialistin für Wildtiere und Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Wildtierökologie und Wildtiermanagement der Uni Freiburg