London ist in Sachen Gesichtserkennung weit vorne. Die britische Hauptstadt hat mehr als andere europäische Städte Überwachungskameras installiert. Mit deren Hilfe und mit Gesichtserkennungssoftware sollen gesuchte Straftäter identifiziert werden können. Wissenschaftler haben untersucht, ob das tatsächlich klappt.
Peter Fussey und Daragh Murray von der Universität Essex haben mit mehreren Testreihen auf öffentlichen Straßen und in einem Einkaufszentrum überprüft, wie erfolgreich die Gesichtserkennung funktioniert hat. Sie haben sechs Tage lang Überwachungen durch die Sicherheitskräfte begleitet und waren bei bei der Vorbereitung, beim Einsatz auf der Straße und bei Nachbesprechungen dabei.
Trefferquote: Unter 20 Prozent
In diesen sechs Tagen hat die Gesichtserkennung 42 Treffer in der Polizeidatenbank erzielt. Bei 22 Fällen hat die Polizei zugegriffen. Aber in nur acht Fällen hat es sich tatsächlich um gesuchte Straftäter gehandelt, sagen die Forscher. Somit liegt die Trefferquote bei unter 20 Prozent.
Grund für die geringe Trefferquote könnte sein, dass die Vergleichsprofile der eingesetzten Technik zu gering sind. Das System, in London wird "Neoface Watch" aus Japan eingesetzt, rechnet die Bilder, die die Kameras liefern, mithilfe von Algorithmen und speziellen Programmen um. So sollen die Bilder vergleichbar werden, sodass eine Seitenansicht auch mit einem Frontalfoto verglichen werden kann. Diese Bilder werden dann mit denen in der Datenbank abgeglichen.
"Dass für diese acht Treffer Tausende Menschen gescannt wurden, halten die Studienautoren für einen unzulässigen Eingriff in die Bürgerrechte."
Die Wissenschaftler kommen zum Schluss, dass die verwendete Software für das Erkennen von Gesichtern unzuverlässig sei. Sie kritisieren auch, dass Polizisten sich zu sehr auf die Technik verließen. Außerdem fehle es an einsehbaren Richtlinien für den Einsatz der Technik. Auch die Rechtsgrundlage für die Anwendung der Software wäre nicht vorhanden.
Automatisierte Gesichtserkennung verstoße gegen Bürgerrechte
Vor allem aber halten sie das Scannen von tausenden von Menschen für einen unzulässigen Eingriff in die Bürgerrechte. Zwar seien die Überwachungswagen und -kameras gekennzeichnet gewesen, das sei aber nicht ausreichend, um ein Einverständnis der gescannten Passanten vorauszusetzen.
Aus genau dieser mangelnden rechtlichen Grundlage ist ein Konflikt entstanden: Ein Fußgänger hat sein Gesicht verdeckt. Für die Polizisten war dieser Mann deshalb verdächtig. Sie haben ihn angehalten. Zwischen Passant und Polizei hat sich ein Streit entwickelt mit dem Ergebnis, dass er am Ende umgerechnet 100 Euro Bußgeld bezahlen musste.
Forderung nach sofortigem Stopp
Die Forscher kritisieren das automatisierte Scannen von Millionen von Menschen ohne jeden Verdacht. Sie fordern daher, sämtliche Tests mit der Gesichtserkennung in London zu stoppen.
Die britische Bürgerrechtsorganisation Big Brother Watch hat sogar angekündigt zu klagen, wenn die Tests nicht beendet werden, weil sie ihrer Ansicht nach in Rechte wie Versammlungsfreiheit oder Bewegungsfreiheit eingreifen.