Wütend zu sein, das haben viele Menschen nicht gelernt. Lukas und Joseph erzählen, wie sie das nachgeholt haben. Anna-Marie Raith erklärt, wie Wut funktioniert.

Wut gehört traditionell in die Gruppe der schlechten Gefühle. So ganz ohne sie kommen wir dann aber doch nicht aus, hat Lukas inzwischen erkannt. Heute machen ihn Ungerechtigkeiten richtig wütend. Für ihn ist dann da ein Prickeln und eine gewisse innere Hitze.

Er hat seine Wut erst spüren gelernt, als ihm eine Ex-Partnerin gesagt hat, dass er auch mal wütend sein darf. Zuvor war das eigentlich ein Nicht-Fühlen. "Dann war ich auch mal wütend, habe auch mal einen Mülleimer umgetreten. Und habe gemerkt: das tut gut", sagt Lukas.

"Bevor ich meine Wut entdeckt habe, habe ich meine Wut sehr aufgestaut und eigentlich nicht wahrgenommen."
Lukas, 29 Jahre alt und studiert, hat früher seine Wut nicht gespürt
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Lukas, 29 Jahre alt und studiert, hat früher seine Wut nicht gespürt

Im professionellen Kontext muss er sich zurückhalten und kann das auch. Er arbeitet in der Pflege und hat einen Klienten, der ihn regelmäßig herausfordert.

Ein Streit mit der Mutter

Im familiären Zusammenhang ist er mal bei einem Osteressen richtig wütend geworden – auf seine Mutter. Bei diesem Familienfest hat er gemerkt, wie es sich anfühlt, wenn er Wut richtig spürt. Heute lässt er seine Wut kommen. Er ist davon überzeugt, dass Emotionen gefühlt und betrachtet werden wollen.

"Ich wollte meine Mutter besuchen, da habe ich gemerkt: Die nimmt mich nicht wahr. Dann bin ich explodiert: Ich möchte auch mal gesehen werden."
Lukas, 29 Jahre alt und studiert, hat früher seine Wut nicht zugelassen

Joseph hat es eine Woche ohne Wut versucht. "Anstrengend war es. Wenn ich verlängert hätte, wäre ich jetzt schwer krank", sagt er. Nach fünf Tagen ist er gescheitert. Eine Tasse musste daran glauben, eine Bodenfliese auch. Er hat seinen Selbstversuch dokumentiert.

"Wut ist erstmal nichts Schlechtes, wenn man es sparsam konzentriert an den richtigen Stellen rauslässt."
Joseph, Regisseur und Drehbuchautor, über seine Wuterfahrung
Joseph, Regisseur und Drehbuchautor
© Oğuz Yılmaz
Joseph, Regisseur und Drehbuchautor

Joseph arbeitet als Regisseur und Drehbuchautor und ist inzwischen davon überzeugt, dass es krank macht, die eigene Wut zu unterdrücken. Er ist auch davon überzeugt, dass Wut meistens verdeckte Trauer ist. Für eine gewisse Zeit war Fitnessboxen für ihn ein sehr guter Weg, um mit Wutgefühlen umzugehen. Sein Selbstversuch hat ihn auch weitergebracht, findet er.

"Mein Umgang mit Wut hat sich sehr geändert, weil ich vorher eher die Tendenz hatte, Dinge runterzuschlucken und in mir zu halten."
Joseph, Regisseur und Drehbuchautor, über seinen Umgang mit Wut

Wut findet auf vier Ebenen statt, erklärt Anna-Marie Raith. Sie ist psychologische Psychotherapeutin.

  1. Körperlich
    (Stresshormone werden ausgeschüttet. Anspannung, Gesichtsrötung. Wir sind kampfbereit.)
  2. Verhalten
    (etwas kaputt machen, Tür zuschlagen)
  3. Wahrnehmung
    (All unsere Aufmerksamkeit wird auf die Wutauslöser gelenkt.)
  4. Gedanklich
    (Schimpfwörter, fiese Gedanken)

Ein häufiger Grund für die Unterdrückung von Wutgefühlen sei, dass viele Menschen sich sorgen, mit ihrer Wut eine wichtige Beziehung zu bedrohen. Wut zu unterdrücken könne dazu führen, dass sie sich aufstaut und es zu einem unkontrollierten Wutanfall kommt. Anna-Marie Raith sagt, wer sich seiner Wut nicht bewusst ist, könne das lernen. Dazu sei es nie zu spät.

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Shownotes
Unterdrückte Wut
Wenn wir Gefühle in uns reinfressen
vom 18. August 2022
Moderatorin: 
Shalin Rogall
Gesprächspartner: 
Lukas, Student, hat früher seine Wut nicht gespürt
Gesprächspartner: 
Joseph, Regisseur und Drehbuchautor, geht jetzt mit Wut anders um
Gesprächspartnerin: 
Anna-Marie Raith, Psychologische Psychotherapeutin
  • Lukas, 29 Jahre alt und studiert, hat früher seine Wut nicht gespürt
  • Joseph, Regisseur und Drehbuchautor, geht jetzt mit Wut anders um
  • Anna-Marie Raith, Psychologische Psychotherapeutin