"Männer sind stark." Assoziationen wie diese haben kleine Kinder noch nicht. Sie entwickeln sich erst und werden kulturell geprägt. Das Gute: Da könne man gegenwirken, so Neuropsychologe Henning Beck.
Warum sitzen so viele Männer in den Spitzenpositionen, gerade in Tech-Firmen oder in der Forschung? Hat es vielleicht etwas mit unserem Denken zu tun? Auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen?
Auf die Frage, haben Männer und Frauen die gleichen Fähigkeiten, antworten wohl die meisten mit einem klaren "Ja". Aber entspricht das auch wirklich unserer Haltung? Forschende stellen das in Frage und haben geprüft, welche Attribute wir welchem Geschlecht zuordnen.
In ihrer Studie haben Daniel Storage von der University of Denver und sein Team 3600 Menschen aus 80 Ländern aller Altersgruppen befragt – Männer wie Frauen. Und siehe da: Die Ergebnisse sind gar nicht so eindeutig.
Unter Stress antworten wir intuitiv
Neuropsychologe Henning Beck erläutert, dass wir normalerweise die Chance haben, über unsere Antworten nachzudenken. Wenn wir beispielsweise gefragt werden: Mit wem verbinden sie das Wort Genie: Männer oder Frauen?
Die Forschenden haben die Teilnehmer und Teilnehmerinnen ihrer Studie aber unter Stress gesetzt, indem sie sehr schnell antworten mussten – etwa indem sie unter Zeitdruck auf Bilder oder Begriffe drücken mussten. Dadurch ergab sich gar nicht die Chance, lange nachzudenken; sie mussten also intuitiv antworten.
"In Tests unter Zeitdruck hat man nicht die Chance, zu überlegen, was richtig ist und was falsch, sondern antwortet intuitiv."
In unserem Alltag sind wir bemüht, politisch korrekt zu antworten, sagt Henning Beck. Die Vermutung der Forschenden war aber, dass wir unbewusst andere Einstellungen haben. Die meisten Dinge, die wir denken, würden wir offen gar nicht sagen.
"Brillant" wird eher Männern zugeschrieben
In den Tests kam beispielsweise heraus, dass das Wort "brillant" häufiger mit Männern assoziiert wird als mit Frauen. Noch deutlicher seien die Tests beim Wort "stark" ausgefallen. Auch das wurde bei den Tests unter Stress deutlich häufiger Männern zugeschrieben als Frauen.
"Attribute wie 'stark' oder 'brillant' wurden durchweg häufiger mit Männern assoziiert."
Die Ergebnisse sind auch deshalb interessant, weil sie wohl unabhängig von Geschlecht, Alter, Land oder kultureller Zugehörigkeit sind: Der Neuropsychologe Henning Beck erklärt, dass die Zuordnung solcher Attribute nach Geschlecht im Alter von vier oder fünf Jahren noch nicht so ausgeprägt ist. Er zieht den Schluss, dass es kulturell geprägt ist, was wir mit Männern und mit Frauen in Verbindung bringen.
"Die Studienergebnisse sprechen dafür, dass es kulturelle, gesellschaftliche Prägung ist, ob man unterbewusst bestimmte Attribute eher mit Männern oder mit Frauen assoziiert."
Geschlechter-Stereotype entwickeln sich früh
Die Gute Nachricht: Wenn Geschlechter-Stereotype gesellschaftlich antrainiert werden, könne man auch gegenwirken, so Henning Beck. "Wir verschenken ja viel Potential, wenn wir solche Vorurteile haben und uns darauf verlassen", so der Neuropsycholge, der uns gleichzeitig aber auch ein bisschen in Schutz nimmt: Diese Art von Vorurteilen in unserem Kopf sind auch sinnvoll, sagt er. Vorurteile seien oft nötig, um uns in dieser Welt zurecht zu finden.