Mehr als 250 Tatverdächtige sind in den vergangenen fünf Jahren in
Deutschland aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Nicht, weil sie
für unschuldig erklärt wurden, sondern weil die Justiz bei den Ermittlungen getrödelt habe, sagt Strafverteidiger Udo Vetter.
Ein Tatverdächtiger wird aus der Untersuchungshaft entlassen – noch vor Prozessbeginn. Und das, obwohl eine Anklage wegen Mord oder Vergewaltigung vorliegt und die Person potenziell eine Gefahr für andere darstellt. Das sei keine Seltenheit, sagt Rechtsanwalt Udo Vetter. Er arbeitet seit dreißig Jahren als Strafverteidiger und habe das schon oft erlebt. In Deutschland passiere das relativ häufig. 250 Entlassungen von Verdächtigen innerhalb von fünf Jahren sei eine "stattliche Zahl", so Vetter.
"Es geht um Fälle, wo die Untersuchungshaft dringend geboten war, weil es sich um besonders schwere Straftaten, wie Mord oder Vergewaltigung, handelte."
Zügige Ermittlungen sind Pflicht
In unserem Rechtsstaat dürfe die Höchstdauer von sechs Monaten Untersuchungshaft nicht überschritten werden, erklärt er. Dann müsse der Tatverdächtige frei gelassen werden. Gleiches gelte für laufende Prozesse. Wenn nicht an mindestens zwei Tagen in der Woche verhandelt werde, verstoße die Justiz gegen das Beschleunigungsverbot. Eine zügige Hauptversammlung sei nicht mehr garantiert und dann kann es zu einer vorzeitigen Entlassung kommen, erläutert Udo Vetter.
"Die Höchstdauer der Untersuchungshaft ist auf maximal sechs Monate beschränkt."
Nur in wenigen Ausnahmen könne die Obergrenze ausgesetzt werden, so
der Rechtsanwalt. Unter anderem bei komplexen Wirtschaftsstraftaten, wie
dem Wiredcard-Skandal. In solchen Fällen komme es immer wieder vor, dass die U-Haft auf zwölf Monate angehoben werde, da die Ermittlungen sehr aufwendig und zeitintensiv sind.
Die Justiz bummelt
Udo Vetter sieht klare Versäumnisse bei der Justiz. In seiner dreißig-jährigen Laufbahn habe er immer wieder erlebt, dass Polizei, Staatsanwaltschaft oder Gerichte – aus unterschiedlichen Gründen – bummeln.
Es werde getrödelt, oder "mal eine ganze Zeit einfach nichts gemacht", sagt der Strafverteidiger. Dann würde das Kriterium der zügigen Ermittlung nicht mehr erfüllt werden. Die Fristen laufen davon und die Tatverdächtigen kommen auf freien Fuß, so Udo Vetter. Das sei der Preis des Rechtsstaates.
"Wenn die Verantwortlichen in Gerichten und Staatsanwaltschaften merken, dass Trödelei keine Folgen hat, dann führt das dazu, dass weiter getrödelt wird."
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