Urin als Düngemittel im Garten oder auf Feldern – davon haben viele von uns zumindest schon mal gehört. Doch er kann noch viel mehr: Strom erzeugen zum Beispiel. Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Verena von Keitz erklärt, wie wir mit Urin richtig düngen und was sonst noch geht.

Felder mit menschlichem Urin düngen - das geht, wie ein Forschungsprojekt in Niger zeigt. Die Ackerflächen, die mit verdünntem und sterilisiertem Harn von Menschen gedüngt wurden, brachten bis zu einem Drittel mehr Ertrag an Perlhirse hervor. Und das in einer Region, in der der Boden nährstoffarm ist und oft kein Kunstdünger zur Verfügung steht.

Jetzt sofort in den Blumenkasten auf dem Balkon pinkeln sollten wir aber bitte nicht, sagt Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Verena von Keitz. Unverdünnt sollte Harn nämlich nicht auf Pflanzen.

"In den Blumenkasten zu pinkeln, ist keine gute Idee. Unverdünnt sollte Harn nicht auf Pflanzen, dafür ist er zu konzentriert."
Verena von Keitz, Deutschlandfunk Nova

Auf Rasenflächen zum Beispiel kann man das gut sehen: Wenn dort helle, gelbliche runde Flecken von abgestorbenen Halmen zu sehen sind, hat dort sehr wahrscheinlich ein Hund mehrmals hingepinkelt und dem Rasenstück eine Überdosis an Nährstoffen und Salzen verpasst.

Nur frischen Urin verwenden

Wenn wir Urin also als Düngemittel nutzen wollen, dann geht das nur stark verdünnt. Gartenratgeber-Seiten sprechen von einer Verdünnung mit Wasser im Verhältnis 1:10 bis 1:20. Ganz wichtig: Für eine solche Aktion sollte nur frischer Harn verwendet werden.

Urin ist nämlich nicht steril, sondern enthält Bakterien, wenn auch nicht besonders viele. Die reichen aber: "Wenn man Harn abfüllt und stehen lässt, fängt er schnell an zu stinken, weil bestimmte Bakterien die Stickstoffverbindungen zu Ammoniak abbauen", sagt Verena von Keitz.

Problematischer als das Stinken ist aber Folgendes: Wenn ihr raucht oder Medikamente einnehmt, landen dadurch im Urin Abbauprodukte, die nicht in die Erde oder an die Pflanzen sollten.

Urin als medizinisches Hilfsmittel

Urin kann auch ein medizinisches Hilfsmittel sein, um zum Beispiel Wunden zu desinfizieren. Davon ist aus aber abzuraten, sagt Verena von Keitz. Denn Urin ist nicht keimfrei, enthält selbst Bakterien und hat keine desinfizierende Wirkung.

Wenn überhaupt, sollte man darüber nur im Notfall nachdenken – also wenn wir etwa in der totalen Einöde sind, kein sauberes Wasser mehr haben und dringend eine verdreckte Wunde abwaschen müssen, um mögliche Krankheitserreger zu entfernen.

"Wenn euch eine Qualle im Meer gestochen hat: Nicht draufpinkeln! Besser Essig oder Rasierschaum nehmen."
Verena von Keitz, Deutschlandfunk Nova

Auch wenn euch eine Qualle im Meer gestochen hat, solltet ihr nicht draufpinkeln – auch wenn man diese Empfehlung immer mal wieder hört. Besser ist es, ihr wascht die Stelle vorsichtig mit Essig ab oder sprüht Rasierschaum drauf und lasst diesen eintrocknen. Dadurch könnt ihr die Kapseln mit dem Nesselgift, die auf der Haut sitzen, aber noch nicht losgegangen sind, unschädlich machen.

Strom erzeugen mit Urin

Urin kann noch etwas – und zwar Strom erzeugen. Eine Forschungsgruppe an der englischen Universität Bristol beschäftigt sich mit dem Thema bereits seit rund 20 Jahren: Sie hat Urinale entwickelt, aus denen Harn in mikrobielle Brennstoffzellen geleitet wird. Dort verstoffwechseln dann bestimmte Bakterien die im Urin enthaltenen Nährstoffe – und dabei entstehen negativ und positiv geladene Teilchen, die zu Elektroden wandern und so Strom erzeugen.

Dieser Strom kann dann zum Beispiel die Toiletten beleuchten. Seit einigen Jahren werden solche schlauen Klos zum Beispiel in mehreren Schulen in Uganda und Kenia eingesetzt – und auch schon mal beim britischen Glastonbury Festival. Gerade an Orten, wo er in großen Mengen anfällt – und gerade in Zeiten, in denen alternative Energiequellen ein großes Thema sind – ist das eine wirklich gute Nutzung von Urin, findet Verena von Keitz.

Shownotes
Erste Hilfe und Strom
Urin im Alltag nutzen: Was er kann und was nicht
vom 27. Juni 2022
Moderation: 
Thilo Jahn
Gesprächspartnerin: 
Verena von Keitz, Deutschlandfunk Nova