Kosmetik, Spielzeug oder Kleidung – Weichmacher befinden sich in vielen Alltagsgegenständen. Einer dieser Weichmacher ist in der EU seit 2013 weitgehend verboten: Di-n-hexyl-Phthalat. Der Grund: Expert*innen schätzen ihn als gefährlich ein. Trotzdem hat das Umweltbundesamt ihn jetzt im Urin etlicher Personen entdeckt. Auch bei vielen Kleinkindern wurde er nachgewiesen.
Weichmacher in mehr als jeder vierten Probe
Di-n-hexyl-Phthalat steht in Verdacht, unfruchtbar zu machen. Derzeit wird die 6. Deutsche Umweltstudie zur Gesundheit durchgeführt, um die Exposition der Menschen gegenüber Umweltstoffen und deren potenzielle Gefährlichkeit zu erforschen. Obwohl die Studie noch nicht abgeschlossen ist, konnte bereits in 28 Prozent aller untersuchten Proben ein Metabolit nachgewiesen werden – ein Abbauprodukt dieses Weichmachers.
"So einen Stoff dürfte man nicht im Körper finden."
Unfruchtbarkeit, Diabetes, Krebs
Di-n-hexyl-Phthalat gehört – wie der Name schon sagt – zu den Phtalaten. Das sind Weichmacher, die im menschlichen Körper wie Hormone wirken. Sie können bei Männern zu einer verringerten Spermienzahl führen und sollen zudem Auswirkungen auf die Geschlechtsorgane männlicher Babys im Mutterleib haben. Tierversuche deuten darauf hin, dass der Weichmacher das Risiko für Diabetes, Bluthochdruck und Fettleibigkeit bei Erwachsenen erhöht. Darüber hinaus stehen Phthalate schon länger im Verdacht, Krebs auszulösen.
Phthalate werden beispielsweise in Kunststoffprodukten verwendet, um sie weich, biegsam oder dehnbar zu machen. Das Problem besteht darin, dass die Weichmacher im Laufe der Zeit aus Produkten wie Zahnpasta-Tuben oder Konservendosen austreten und somit in den menschlichen Körper gelangen können. Expert*innen sind besonders besorgt über die Gefahr für Kinder und Jugendliche.
Unerwarteter Fund bei Kindern in NRW
Der gefährliche Weichmacher wurde zufällig entdeckt, durch die Ergebnisse von Urinproben bei Kleinkindern in Nordrhein-Westfalen. Alle drei Jahre wird der Urin von jeweils 250 Kindern im Alter von zwei bis sechs Jahren auf verschiedene Schadstoffe hin analysiert. 2020/21 enthielten 61 Prozent der Urinproben den gefährlichen Weichmacher. Daraufhin untersuchte das zuständige Landesamt in NRW auch ältere Proben. Es stellte sich heraus, dass drei Jahre zuvor (2017/2018) nur 26 Prozent aller Proben der Kindergarten-Kinder den Weichmacher enthielten. Die Konzentration im Urin war damals ebenfalls geringer und hat sich bei stark belasteten Kindern etwa verzehnfacht.
Ursachenforschung: Wie gelangt der Weichmacher in den Urin?
Nach aktuellem Forschungsstand sind Personen in städtischen und ländlichen Gebieten deutschlandweit mit Di-n-hexyl-Phthalat belastet. Die genaue Ursache, wie dieser Stoff in den Urin gelangt, ist bisher ungeklärt. Das Umweltbundesamt plant eine enge Zusammenarbeit mit EU-Behörden.
Lars Tietjen, Experte für Chemikalien beim Umweltbundesamt, vermutet, dass Di-n-hexyl-Phthalat möglicherweise unbemerkt in Importprodukten enthalten ist. Eine weitere Möglichkeit könnte sein, dass der Weichmacher noch in alten Restbeständen von Produkten aus der EU enthalten ist, die vor dem Verbot produziert wurden.
Die EU ist sich dieses Problems bewusst und arbeitet daran, hormonell schädigende Stoffe in Verbraucherprodukten leichter und schneller zu identifizieren, zu kennzeichnen und zu regulieren. Die EU-Kommission strebt an, bis 2050 eine schadstofffreie Umwelt zu schaffen, jedoch bleibt bis dahin noch ein langer Weg.