In Großbritannien wurde ein Pilotprojekt zur Vier-Tage-Woche als Erfolg verzeichnet. Auch in Deutschland kommt die Idee einer kürzen Arbeitswoche bei vielen gut an. Gleichzeitig fehlen in manchen Branchen massiv die Fachkräfte.

Vier statt fünf Tage arbeiten bei gleichbleibendem Gehalt: In Großbritannien haben über 60 Unternehmen dieses Arbeitsmodell ausprobiert. Ein halbes Jahr haben sie mit insgesamt rund 2900 Mitarbeiter*innen an dem bisher größten Pilotprojekt seiner Art teilgenommen.

Jetzt haben die Unternehmen Bilanz gezogen: 56 der 61 Firmen möchten die Vier-Tage-Woche beibehalten, berichtet ARD-Korrespondent Christoph Prössl. Die Unternehmen haben in den vergangenen Monaten beobachtet, dass die Produktivität mindestens gleich geblieben oder sogar gestiegen ist, die Gewinne zugenommen und die Gesundheitsrisiken für Arbeitnehmende abgenommen haben.

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"Ziemlich viele sind zufrieden – Mitarbeiterinnen und Mitarbeit als auch Unternehmer und Firmenchefs."

Weniger arbeiten vs. Fachkräftemangel

Für die Unternehmen mit klassischen Bürojobs war es allerdings einfacher, die Vier-Tage-Woche umzusetzen. Auch das hat das Pilotprojekt gezeigt. Inwiefern Unternehmen eine verkürzte Arbeitswoche umsetzen können, ist für Oliver Stettes vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln weniger eine Frage der Branche als eine Frage des Geschäftsmodells beziehungsweise der Arbeitsprozesse einer Firma.

In Krankenhäusern, Betreuungseinrichtungen, dem Einzelhandel oder Betrieben, die vom Publikumsverkehr abhängig sind, sei das verkürzte Arbeitsmodell vermutlich schwierig umsetzbar. Zumindest, wenn die Vier-Tage-Woche meint, dass die Arbeit der Firmen und Betriebe an den restlichen drei Tagen ruht.

Für eine Aufstockung des Personals fehlen in einigen Branchen hingegen die Fachkräfte. "Vor dem Hintergrund sollte man die Fragestellung der Vier-Tage-Woche in speziellen Fällen vielleicht davon trennen, was sie eigentlich benötigen, um den Fachkräftemangel zu beheben", sagt er.

"Erlauben mir es meine Geschäftsmodelle oder meine Arbeitsprozesse, den Laden am Donnerstag zuzumachen und den Freitag sozusagen frei zu haben?"
Oliver Stettes, Institut der deutschen Wirtschaft Köln

Bleiben die Gehälter und Löhne zudem gleich – so wie in dem Experiment in Großbritannien – bedeutet das für die Arbeitsprozesse in einer Vier-Tage-Woche auch, dass sich der Arbeitsumfang pro Tag erhöht. Das sieht Oliver Stettes als zweiten entscheidenden Punkt an, den Unternehmen auf seine Machbarkeit überprüfen sollten, wenn sie auf das verkürzte Arbeitsmodell umsteigen möchten.

"Man muss sehr vorsichtig sein, solche Ergebnisse zu verallgemeinern", so der Experte. Eine höhere Arbeitsbelastung zum Beispiel sei über einen kurzen Zeitraum wie den sechs Monaten des Pilotprojekts machbar. Welche Auswirkungen so eine Arbeitsverdichtung auf lange Sicht hat, bleibt aber offen.

Shownotes
Kürze Arbeitswoche vs. Fachkräftemangel
Wie realistisch eine 4-Tage-Woche in Deutschland ist
vom 23. Februar 2023
Moderator: 
Till Haase
Gesprächspartner: 
Oliver Stettes, Institut der deutschen Wirtschaft Köln, Bereich Arbeitswelt und Tarifpolitik