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Im Winter entscheidet sich, wie es mit der Corona-Pandemie im Frühjahr weitergeht. Die Physikerin Viola Priesemann sagt, was es abzuwägen gilt.

Im Moment ist die Siebentagesinzidenz bei den Covid-19-Fällen ähnlich hoch wie etwa im November 2020 . Auch die Zahlen der Intensivstationen sind vergleichbar (Stand 27.10.2021). Trotzdem soll, wenn es nach SPD, Grüne und FDP geht, die epidemische Notlage Ende November auslaufen.

Viola Priesemann arbeitet an mathematischen Modellen, die die Ausbreitung von Sars-CoV-2 berechenbar machen können. Sie forscht am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen.

2021 ist anders als 2020

Mit Kolleginnen und Kollegen verschiedener Institutionen hat sie ein Paper mit dem Titel "The Winter Dilemma" erarbeitet. Darin versuchen die Forschenden, den Zusammenhang von Informationen zur Pandemielage und menschlichem Verhalten mathematisch zu erfassen.

Grundsätzlich sei in diesem Winter die Ausgangslage durch die Verfügbarkeit von Covid-19-Impfstoffen eine andere als 2020, so die Physikerin. Das sei zunächst eine gute Nachricht.

"In diesem Winter sind wir anders aufgestellt als im letzten Winter. Wir sind besser aufgestellt."
Viola Priesemann, Physikerin, Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation, Göttingen

Demgegenüber stehe allerdings die Delta-Variante von Sars-CoV-2. Sie hat einen etwa fünffach höheren Reproduktions-Wert als die im vergangenen Jahr dominierende Alpha-Variante. Das bedeutet: Ein mit der Delta-Variante infizierter Mensch steckt durchschnittlich etwa fünf weitere an.

Möglichkeit einer erneuten Welle

Für die Modelliererin ist vorstellbar, dass möglicherweise sinkende Fallzahlen im Winter verbunden mit einer sinkenden Impfmotivation dann im Frühjahr zu einer neuen Welle führen könnte. Denn der saisonale Effekt - also die Tatsache, dass es in der wärmeren Jahreszeit zu weniger Ansteckungen kommt - reiche nicht aus, um eine Welle im Frühjahr zu verhindern. Wichtig sei darum, dass genügend Menschen immun gegen das Virus sind und bleiben.

"Um eine Covid-Welle im Frühjahr einfach so zu stoppen, brauchen wir zusätzlich ausreichend Immunität."
Viola Priesemann, Physikerin, Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation, Göttingen

Ein entscheidender Faktor für den weiteren Verlauf der Pandemie ist für Viola Priesemann neben der Immunisierung das Sozialverhalten - das heißt, die allseits bekannten Fragen zu Abstandsregeln und unserem Sozialverhalten. Sie lauten weiterhin: Wie treffen wir uns drinnen? Wieviel treffen uns draußen? Wie oft treffen wir uns überhaupt?

Durch freiwillige soziale Einschränkungen könne unsere Gesellschaft vermeiden, die Belegschaften der Krankenhäuser, genauer der Intensivstationen, erneut an ihr absolutes Limit zu bringen.

"Die Entscheidung, die wir als Gesellschaft treffen müssen, ist: Wollen wir wirklich bis ganz ans Limit der Intensivstation gehen?"
Viola Priesemann, Physikerin, Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation, Göttingen

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de

Shownotes
Modelliererin über Covid-19
Viola Priesemann: "In diesem Winter sind wir besser aufgestellt"
vom 27. Oktober 2021
Moderatorin: 
Sonja Meschkat
Gesprächspartnerin: 
Viola Priesemann, Physikerin, Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation, Göttingen