Von Beleidigungen über sexistische Äußerungen bis hin zu Morddrohungen – Virologinnen und Virologen in Deutschland müssen einiges ertragen, seitdem sie über Corona berichten und in den Medien Rede und Antwort stehen. Was da teilweise an Mails und Kommentaren ankommt, besprechen wir mit Melanie Brinkmann, Virologin an der Technischen Universität Braunschweig und am Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung.

Europäische Forschungsminister und -ministerinnen haben jetzt eine Erklärung unterschrieben, mit der sie Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen besser vor Beschimpfungen und Anfeindungen schützen wollen. Sie sprechen sich für die Forschungsfreiheit aus und fordern, dass die Gesellschaft sich mehr hinter die Forscherinnen und Forscher stellt. Melanie Brinkmann findet diesen Schritt gut, allerdings glaubt sie nicht, dass er aktuell etwas an den Corona-bedingten Anfeindungen gegenüber Virologinnen und anderen Wissenschaftlern ändern könne.

Skurrile Kritik und persönliche Anfeindungen

Sie bekomme vor allem dann Rückmeldungen, wenn sie in der Öffentlichkeit aufgetreten ist und sich dort etwa zu Corona geäußert habe, sagt sie, "manchmal ist auch ein Brief in der Post, den ich dann mit gemischten Gefühlen öffne."

Die Nachrichten seien oftmals skurril. Melanie Brinkmann meint damit Mails, in denen Corona oder auch ganz generell die Pandemie angezweifelt wird. "Teilweise bekommt man Zuschriften, die sagen: 'Ihr habt das doch alles nur erfunden, ihr wolltet alle doch nur mal ins Fernsehen'", sagt Melanie Brinkmann.

"Wie kommen die auf die Idee, dass Wissenschaftler ins Fernsehen wollen? Ich will das gar nicht. Und bin froh, wenn der Spuk vorbei ist."
Melanie Brinkmann, Virologin

Manche Rückmeldungen sind persönlich beleidigend, sagt Melanie Brinkmann. In einer E-Mail hieß es mal, sie solle doch einfach die Klappe halten. "Ich kann das nie gut ab und das trifft mich auch", so die Virologin. Um mit solchen Beleidigungen besser umgehen zu können, spreche sie mit anderen darüber, zum Beispiel mit ihrem Mann oder ihren Kollegen.

"Was mich über den Tag rettet, ist dann eine freundliche, eine anerkennende E-Mail. Die bekomme ich ja auch. Und das sind total schöne Momente."
Melanie Brinkmann, Virologin

Melanie Brinkmann sagt, sie bekomme allerdings auch sehr nette E-Mails und die würden ihr dabei helfen, die Beleidigungen besser wegzustecken. Allerdings stellt sie auch fest, dass die bösen Nachrichten zunehmen. Manchmal würde sie sogar darüber nachdenken, einfach aufzuhören, sich in den Medien zu Corona zu äußern.

Nach einer kurzen Verschnaufpause geht es weiter

Meist brauche sie nach einem Auftritt in einer Talkshow oder Fernsehsendung und den folgenden Kommentaren erst einmal eine Pause, um sich von den Kommentaren zu erholen und Abstand zu gewinnen. Danach gehe es dann weiter. "Einfach, weil ich es wichtig finde, zu kommunizieren und zu erklären. Das positive Feedback, das ich bekomme, bestärkt mich auch darin", sagt sie.

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Shownotes
Melanie Brinkmann über Anfeindungen
Virologin: "Ein mulmiges Gefühl habe ich immer, wenn ich meine Post öffne"
vom 21. Oktober 2020
Moderatorin: 
Sonja Meschkat
Gesprächspartnerin: 
Melanie Brinkmann, Professorin für Virologie an der Technischen Universität Braunschweig und am Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung