Russland setzt bei seinem Angriff auf die Ukraine nicht nur auf die reguläre Armee, sondern auch auf Söldner, vor allem auf die sogenannte Wagner-Gruppe. Die kämpft vor allem in der Ostukraine in den Gefechten um die Stadt Soledar im Donezk-Gebiet. Sie wird als extrem brutal beschrieben, ansonsten aber ist wenig über die Gruppe bekannt.

Ein Soldat aus dieser Söldnertruppe soll nun nach Norwegen geflohen sein. Er hat dort Asyl beantragt und will Details über die Wagner-Gruppe berichten. Der Westen hat großes Interesse an diesen Informationen, denn insgesamt ist wenig über diese spezielle Söldnertruppe bekannt.

"Die Wagner-Söldner sind dort vor allem für die Gefechte wichtig und eben für die direkten Kämpfe. Wenn es dann um den Häuserkampf geht, zum Beispiel in der Stadt Soledar."
Frederik Rother, berichtet als Osteuropa-Experte über den Krieg in der Ukraine

Unser Osteuropa-Experte Frederik Rother berichtet, dass die Söldner vor allem im Häuserkampf eingesetzt werden, zum Beispiel bei den Gefechten um die Stadt Soledar – im direkten Kampf gegen die ukrainischen Soldaten. "Auch das Ausspähen der gegnerischen Truppen und Sabotage gehört zu den Aufgaben von Wagner-Söldnern – das ist bekannt", so Frederik.

"Auf Telegram-Kanälen werden immer wieder Bilder toter ukrainischer Soldaten veröffentlicht, mit hämischen Kommentaren."
Frederik Rother, berichtet als Osteuropa-Experte über den Krieg in der Ukraine

Expert*innen gehen von 20.000 bis 50.000 Wagner-Söldnern in der Ostukraine aus. Es wird berichtet, dass die Söldner ziemlich brutal vorgehen. Und auch die Beteiligung an den Massakern von Butscha wird manchen Wagner-Söldnern zur Last gelegt. Darauf deuten Gespräche hin, die der Bundesnachrichtendienst abgehört hat, so unser Osteuropa-Experte. Bekannt sei auch ein rücksichtsloses Vorgehen mit Blick auf die eigenen Kräfte – demnach sollen die Verluste in den Reihen der Söldner sehr hoch sein.

"Westliche Regierungen schätzen, dass darunter ein Großteil rekrutierte Strafgefangene sind."
Frederik Rother, berichtet als Osteuropa-Experte über den Krieg in der Ukraine

Die Söldnergruppe wurde im Frühjahr 2014 gegründet, um die pro-russischen, sogenannten Separatisten im Donbass zu unterstützen und bei der Annexion der Krim zu helfen. "Damals rekrutierte man noch vor allem Männer mit Erfahrungen im Geheimdienst und im Militärbereich ausgebildete Sicherheitskräfte", sagt Frederik Rother. Heute seien es vermehrt ehemalige Strafgefangene.

Bei der Frage danach, wer die Gruppe gegründet hat, tauchen zwei Namen auf: Jewgeni Prigoschin, ein Catering-Unternehmer für den russischen Staat, der auch als "Putins Koch" oder als "Koch des Kremls" bezeichnet wird. Der andere ist Dmitri Utkin, ein früherer Geheimdienstler, der eine Vorliebe für den Komponisten Richard Wagner haben soll. Auch er wird als Gründer genannt.

Söldner-Firmen sind in Russland eigentlich verboten

Der Kreml weist jede Verbindung zur Wagner-Gruppe von sich, berichtet Frederik Rother: "Zumal private Söldnerfirmen, das ist auch ganz interessant, in Russland verboten sind." Dennoch gibt es viele Berührungspunkte zwischen Staat und Wagner-Gruppe. Die Söldner werden auf Geheimdienst-Gelände ausgebildet, außerdem gibt es auch Geld vom russischen Staat.

Ansonsten finanziert sich Wagner aber, auch das ist gut dokumentiert, über Einsätze in afrikanischen und arabischen Ländern, über wirtschaftliche Aktivitäten – zum Beispiel Goldabbau, Handel mit Edelhölzern oder mit Erdölfeldern – und auch durch Plünderungen.

"Es geht darum, mit den Wagner-Söldnern, so Experteneinschätzungen, die Fehler und die Schwächen der regulären russischen Streitkräfte und auch die schlechte Kampfmoral in der Ukraine auszugleichen, über die wir immer wieder berichtet haben."
Frederik Rother, berichtet als Osteuropa-Experte über den Krieg in der Ukraine

Die Söldnertruppe sei aufgebaut worden, um die Schwächen der regulären russischen Truppen auszugleichen. "Das Problem ist: Je mehr die russische Führung auf Wagner setzt und je erfolgreicher diese Truppe auch ist, wie jetzt eben vielleicht in der Stadt Soledar, die man ja behauptet, eingenommen zu haben, desto mehr politisches Gewicht bekommt die Wagner-Truppe und auch ihr Chef Prigoschin", so der Osteuropa-Experte. Prigoschin habe die russische Militärführung zuletzt stark kritisiert, er ist der Meinung, dass die Söldner Soledar alleine erobert hätten. Das Verteidigungsministerium in Moskau hat diesen Vorwurf zurückgewiesen.

"Hier gibt es viel öffentliche Reibung und Gerangel. Experten sprechen hier von einem Machtkampf zwischen Prigoschin und dem Verteidigungsministerium – mit wachsenden Abhängigkeiten für den russischen Staat."
Frederik Rother, berichtet als Osteuropa-Experte über den Krieg in der Ukraine

Expert*innen beobachten, dass sich die russische Führung – angesichts des Scheiterns der ursprünglichen Ziele der Spezialoperation – immer mehr zur Geisel von privaten Militärformen macht, erklärt Frederik Rother.

Shownotes
Krieg in der Ukraine
Was wir über die russische Wagner-Gruppe wissen
vom 17. Januar 2023
Moderator: 
Thilo Jahn
Gesprächspartner: 
Frederik Rother, berichtet für Deutschlandfunk Nova über den Krieg in der Ukraine