Eigentlich fressen Ameisen ihre Artgenossen nicht. Zumindest nicht die aus der eigenen Kolonie. In einem verlassenen Atombunker in Polen wurde aber genau das zur Überlebensstrategie.

In Polen hat ein Ameisenkolonie ihr Nest auf dem Dach eines Bunkers aus der Sowjetzeit gebaut – ausgerechnet auf einem Lüftungsrohr. Das war zunächst mit einer Klappe verschlossen. Die ist aber mit der Zeit durchgerostet. Deshalb sind über die Jahre immer mal wieder Waldameisen durch das Lüftungsrohr in den Bunker gefallen. Und die mussten dann da im Dunklen und ohne Nahrung zurecht kommen.

Vor ein paar Jahren hat eine polnische Forschungsgruppe etwa eine Million lebende Ameisen in diesem Bunker entdeckt: Der Boden war voll von Ameisen und auch an den Wänden wimmelten es auf den Ameisenstraßen geschäftig. Das Tragische: Die Ameisen schaffen es zwar die Wände hoch und können auch unter der Decke laufen – aber den Weg zurück zum Lüftungsrohr haben sie nicht geschafft. Obwohl nur etwa ein halber Meter fehlte, wie Fotos zeigen.

Die Ameisen sind links an der Wand im Bunker zu sehen. Mittig an der Decke das Lüftungsrohr.
Nur zirka 50 Zentimeter trennten die Ameisen vom Lüftungsrohr.

Das Spannende an dieser speziellen Ameisenkolonie: Es ist keine Königin mit in den Bunker gefallen. Das heißt, dort gibt niemand den Ton an und es gibt auch keinen Nachwuchs. Alle Ameisen in dem Bunker waren Arbeiterinnen. Und für die Forschenden war es faszinierend zu sehen, wie die sich organisieren. Bei der Situation im Bunker zeigte sich, dass sie vieles von dem tun, was sie auch sonst machen. Die Ameisen halten sozusagen am alten Alltag fest.

Kannibalismus als Notlösung

Das sieht dann so aus, dass sie einen eigenen Hügel gebaut haben aus Erde mit Ein- und Ausgängen rundherum. Die Leichen der verstorbenen Ameisen werden auf einer Art Friedhof gestapelt. Dort entdeckten die Forschenden zum Teil 8000 tote Tiere pro Quadratzentimeter. An den toten Ameisen wurden Bissspuren gefunden. Und tatsächlich hat das Forschungsteam nichts Essbares für die Ameisen im Bunker gefunden.

Links das kurze Brett über das die Ameisen an der Wand hochkrabbelten, rechts da Holzbrett, das die Forscher zum Lüftungsschacht gebaut hatten.
Die Forschungsgruppe hat den Ameisen ein Holzbrett hingestellt, damit sie den Bunker wieder verlassen können.

In einer gesunden Kolonie würde es nicht passieren, dass sich Ameisen gegenseitig auffressen. In der Forschung ist es aber aus so genannten Ameisenkriegen bekannt, bei denen zwei Kolonien um ein Territorium kämpfen. Da werden die Leichen der gegnerischen Kolonie gefressen. Die Geschichte hat aber auch ein Happy End: Das Forschungsteam hat ein langes Brett so hingestellt, dass die Ameisen wieder aus dem Lüftungsschacht nach oben klettern können. In einer neuen Studie steht, dass der Bunker ein halbes Jahr später quasi leer war.

Shownotes
Natur
Waldameisen im Bunker: Überleben durch Kannibalismus
vom 04. November 2019
Moderatorin: 
Steffi Orbach
Gesprächspartnerin: 
Sophie Stigler, Deutschlandfunk Nova Nachrichten