Erinnerungen aus Stresssituationen brennen sich förmlich in unser Gedächtnis ein. Forschende der Ruhr-Uni Bochum haben nun herausgefunden, dass das sogar auf vermeintlich unbedeutenden Kleinigkeiten zutrifft. Grund sei, dass das Gehirn Stress anders abspeichere.

Stress ist auf körperlicher Ebene unangenehm: Wir zittern, schwitzen oder die Verdauung spielt verrückt. Bei zu viel Stress können wir unser Wissen aber auch oft gar nicht richtig zeigen. Die Situation kann dann als Misserfolg verbucht werden, erklärt die Psychologin Nora-Corina Jacob. Doch auch Situationen, die ein gutes Ende für uns haben, wirken sich auf unseren Körper und sogar im Nachhinein auf unser Gedächtnis aus.

Das ganze Gespräch mit der Psychologin Nora-Corina Jacob ist hier zu hören
"Stress ist nicht immer schlecht, und auch in Bewerbungen oder Prüfungssituationen können wir positiv über uns hinauswachsen."

Das Gehirn speichert Stresssituationen anders ab

Um das neurowissenschaftlich nachzuvollziehen, haben die Forschenden der Ruhr-Uni Bochum Probanden in eine stressige Situation versetzt, die einem unangenehmen Vorstellungsgespräch ähnelt, erklärt Kathrin Baumhöfer aus den Deutschlandfunk Nova Wissensnachrichten. Dabei werden die Probanden zum Beispiel über einen längeren Zeitraum angestarrt oder es wird nicht oder nicht positiv auf Aussagen des Gegenübers reagiert.

Was in der simulierten Situation auch vorhanden war, waren Requisiten, also zum Beispiel eine Kaffeetasse oder ein Stift, mit dem einer der Gesprächsleiter rumspielte. Und genau an diese für die Situation eigentlich völlig unbedeutenden Gegenstände konnten sich die Probandinnen und Probanden erinnern.

"In unserem Gehirn gibt es einen Mechanismus, der emotionale Erinnerungen verstärkt. Stresssituationen werden deswegen besser erinnert."
Kathrin Baumhöfer, Deutschlandfunk Nova Wissensnachrichten

Das ergab eine Überprüfung nach dem Stresstest, sagt Kathrin Baumhöfer, als den Testpersonen Bilder von den in der Stresssituation vorhandenen Objekten gezeigt wurden. Bilder aus der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) zeigten, dass die neuronalen Spuren von Objekten, die in der Stresssituation vorkamen, alle ähnliche Gedächtnisspuren hinterließen. Dies war in der Kontrollgruppe und bei Objekten, die nicht in der Stresssituation vorkamen, nicht der Fall. Mit anderen Worten: Die Spuren, die die Stresssituationen im Gehirn hinterlassen, können von anderen Erlebnissen abgegrenzt werden.

Mögliche Erkenntnisse für Traumaforschung

Übrigens wiesen die Testpersonen auch eine starke Hirnaktivität auf, wenn ihnen Fotos von den Leuten aus dem Prüfungskomitee gezeigt wurden. Diese waren den Gedächtnisspuren ähnlich, die die Objekte aus der Stresssituation hinterlassen haben.

Das alles weise darauf hin, so Kathrin Baumhöfer, dass eine Stresssituation und die Erinnerung daran ein ähnliches Aktivitätsmuster im Gehirn haben. Die Forschenden wollen ihre Erkenntnisse nun für die Traumaforschung nutzen.

Tipps für den Umgang mit stressigen Situationen - Bewerbung

Im Vorfeld:

  • sich auf die eigenen Stärken besinnen und den eigenen Gedanken eine positive Richtung geben
  • sich bewusst machen, dass die Personen gegenüber sich ebenfalls in einer Art "Bewerbungssituation" befinden
  • Situationen - wie Interview mit einer Personalerin - vorher üben
  • sich im Alltag öfter auf Situationen fokussieren und damit Achtsamkeit trainieren

In der Situation selbst:

  • auf Atmung achten
  • sich im Gespräch immer wieder neu fokussieren - nicht ablenken lassen, sondern achtsam sein
Shownotes
Hirnforschung
Warum sich stressige Erlebnisse in unser Gehirn einbrennen
vom 18. Oktober 2021
Moderator: 
Markus Dichmann
Gesprächspartnerin: 
Kathrin Baumhöfer, Deutschlandfunk Nova Wissensnachrichten
Moderator: 
Christian Schmitt
Gesprächspartnerin: 
Nora-Corina Jacob, Psychologin