Wir sind permanent am Scrollen und checken, ob jemand seinen Status upgedatet hat. Problem: Das Design vieler Apps befeuert bewusst diese Sucht nach Information. Hauptsache, die Verweildauer stimmt. Brauchen wir höhere ethische Maßstäbe beim Design von Apps & Co.?
"Bei verschiedenen Studien wurden Leute an einen Gehirnscanner angeschlossen. Als sie bei Facebook ihre Timeline runtergescrollt sind, feuerten im Gehirn die gleichen Areale wie bei Spielsüchtigen, kurz bevor der einarmige Bandit einrastet."
Fabian Hemmert ist Professor für Interface- und User Experience-Design an der Uni Wuppertal. Als Designethiker beschäftigt er sich intensiv mit dem Zusammenhang von Design und Sucht.
Noch ein bisschen dranbleiben…
…dann könnte was Gutes passieren! Genau diese Denkweise wird von den App-Designern ausgenutzt, sagt Hemmert: Sowohl bei Facebook als auch bei Twitter gibt es die Möglichkeit, endlos weiterzuscrollen.
Wenn der Nutzer immer weiterscrollt, findet er auch kein Ende. Es kommt immer etwas Neues dazu. Das Gefühl kennen viele, sagt Hemmert: „Huch, wo sind die letzten fünf Minuten geblieben? Huch, ich hab die Haltestelle verpasst.“
"Ich nenne das gern den Zombie-Modus. Weil ein Zombie philosophisch ja auch ein Mensch ist – aber ohne bewusste Wahrnehmung von sich selbst und seiner Umwelt."
Designer hätten heute viel mehr Verantwortung als etwa vor 50 Jahren, als Design noch die Gestaltung der Oberfläche war, eine nette Verpackung. Heute sei Design viel mehr. Alles – von Genen bis Gesellschaft – sei irgendwie designt. Es gebe nichts mehr, was nicht designt ist. Außer das, was natürlich gewachsen ist.
Lost in information
Und heute?
"Bei Facebook sind wir Nutzer das Produkt. Die Firma verkauft unsere Aufmerksamkeit an Firmen, die dafür bezahlen."
Man könne das gut mit Fastfood vergleichen, sagt Hemmert. Der schnelle Post mit witzigem Bild bei Facebook oder die kleine Whatsapp-Nachricht sei wie das Chicken McNugget der Informationsgesellschaft.
- vorgekaut
- geht leicht runter
- Info to go
- Problem: es sättigt aber nicht so richtig
Analoges Mobile-Game
Zusammen mit seiner Frau hat Hemmert das Spiel "Escape Team" entwickelt, ein interaktives Mobile-Game, das aber analog funktioniert:
- Spiele wie etwa "Candy Crush" finden beide nämlich total doof, weil man dabei allein an seinem Smartphone sitzt
- "Escape Team" funktioniert deshalb so, dass man es ausdrucken muss und es zusammen mit mehreren Mitspielern spielen kann
Das Handy liegt an der Seite und steht nicht im Mittelpunkt des Interesses. Stattdessen Stift, Papier, Schere – und vor allem die Interaktion mit den Mitspielern beim gemeinsamen Rätsellösen.
"Wir dürfen nicht zu Darth Vader werden, zu einer Mischung aus Mensch und Maschine, die ohne den Maschinenteil nicht überleben kann. Wir müssen Mensch bleiben."