Wegen des Kriegs gegen die Ukraine schließen sich immer mehr Unternehmen den internationalen Sanktionen gegen Russland an. Sie schränken ihre Geschäfte dort ein oder ziehen sich komplett zurück. Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Katja Scherer erklärt, warum aber auch manche weiter machen.
Papier, Blumen und Teilchenbeschleuniger werden zum Beispiel grundsätzlich nicht mehr aus der EU nach Russland geliefert. Denn das ist durch Sanktionen verboten. In anderen Wirtschaftsbereichen, wir etwa der Medizintechnik, laufen die Geschäfte bislang fast im gleichen Umfang weiter.
Die Unternehmen begründen das damit, dass ein Stopp drastische Folgen hätte und viele Unschuldige treffen würde. Das sei zum Beispiel der Fall, wenn Unternehmen medizinische Diagnosegeräte, etwa für die Krebserkennung, nach Russland liefern oder dort Impfstoffampullen oder Verbandmaterial herstellen, so Katja Scherer.
"Gesundheit ist ein Grundrecht, das bestätigt auch die UN-Menschenrechtskonvention. Deshalb sind Medizinprodukte von Sanktionen grundsätzlich ausgeschlossen."
Eine Firma, die das zum Beispiel macht, ist die Hartmann Gruppe aus Heidenheim. Dort will man das auch weitermachen, sagt Philipp Hellmich, ein Sprecher des Unternehmens. Denn Gesundheit sei laut den Vereinten Nationen ein Menschenrecht und Medizinprodukte seien deshalb immer von Sanktionen ausgeschlossen.
Gründe für ein Russland-Geschäft
Unternehmen, die vor Ort in Russland produzieren, würden in der Regel von dort aus auch andere Länder in Osteuropa beliefern, sagt Katja Scherer. Ein Produktionsstopp würde also auch die Menschen dort treffen.
Neben der Medizintechnik gibt es noch weitere Unternehmensbereiche, in denen immer noch Geschäfte mit Russland gemacht werden. Zum Beispiel beliefern deutsche Firmen das Land mit Messtechnik für Atomkraftwerke. Mit dieser Technik wird überprüft, ob radioaktive Strahlung austritt. Deutsche Firmen liefern zudem Ersatzteile und Bremsen für Züge nach Russland. "Die braucht man, um schwere Unfälle zu vermeiden", sagt die Deutschlandfunk-Nova-Reporterin.
Auch landwirtschaftliches Saatgut und Landmaschinen würden weiterhin aus Deutschland kommen. "Wenn man das stoppt, kann Russland weniger Getreide herstellen", so Katja Scherer. "Getreide würde auf dem Weltmarkt noch teurer als es durch den Krieg ohnehin schon ist – und noch weniger Menschen in ärmeren Ländern könnten sich das leisten."
Die meisten Firmen wollen aus Russland raus
Wie viele Unternehmen ihr Russland-Geschäft hingegen aus finanziellen Gründen nicht einstellen, etwa weil sie viel investiert haben und nun Kredite abbezahlen müssen, ist hingegen nicht bekannt. Beim Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft, ein Verein, der den Handel zwischen Deutschland und Osteuropa fördert, heißt es aber, dass die meisten Unternehmen, die nicht in versorgungsrelevanten Bereichen unterwegs sind, inzwischen aus Russland raus wollten.
"Die Bereitschaft, in Russland zu bleiben, ist sehr gering. Sie sinkt auch mit jedem Tag, den dieser furchtbare Krieg noch weiter andauert."
So ergeht es auch der Hartmann Gruppe. Lieferte das Unternehmen früher auch Kosmetika nach Russland, beschränkt es sich inzwischen auf medizintechnische Produkte. Außerdem setzt sie geplante Investitionen nicht mehr um und finanziert auch keine Werbemaßnahmen mehr vor Ort. Auch viele Autobauer, die in Russland produzieren, pausieren im Moment.
Es ist nicht ganz einfach, den russischen Markt zu verlassen
Einige deutsche Unternehmen, wie etwa der Chemiekonzern BASF pausieren ihr Geschäft nicht nur, sondern verlassen den russischen Markt komplett. "Oft dauert es aber einige Wochen bis Unternehmen so etwas umsetzen können", sagt Katja Scherer. "Sie haben schließlich Verträge mit ihren Mitarbeitern und ihren Geschäftspartnern in Russland."
Diese müssten erst aufgelöst werden – und das, ohne dass es hohe Schadensersatzforderungen gebe. Zudem müssten die Unternehmen aufpassen, dass sie ihre Mitarbeiter*innen in Russland nicht in Gefahr bringen. Denn die russische Regierung arbeitet an einem Gesetz, das besagt, dass Unternehmen in Russland ausländische Sanktionen nicht umsetzen dürfen.
Das bedeutet, dass, wenn man einen russischen Manager damit beauftragt, Leute wegen des Krieges und wegen der Sanktionen zu entlassen, dieser Manager Probleme im eigenen Land bekommen könnte. Zum Beispiel in Form von langen Haftstrafen.
Zudem müsse man sich die Frage stellen, was beispielsweise mit den Fabriken passiere, die deutsche Firmen aufgeben, meint Katja Scherer, So hätten die Baumarktkette Obi oder der Lebensmittelkonzern Dr. Oetker, ihr Russland-Geschäft zwar verkauft, allerdings an russische Inverstor*innen und Manager*innen. "Indirekt stärkt man die russische Wirtschaft damit sogar", sagt die Deutschlandfunk-Nova-Reporterin. "Denn die Gewinne verbleiben danach komplett im Land, obwohl man eigentlich das Gegenteil erreichen will. Die Unternehmen sind also in einer schwierigen Lage."