Forschende haben eine Vorform des menschlichen Gehirns mit Computer-Elektronik verknüpft und sie an eine Künstliche Intelligenz angeschlossen. Das Ergebnis: Die KI kann Stimmen ziemlich gut auseinanderhalten und Matheaufgaben lösen.

Mit hirnähnlichem Gewebe zu arbeiten ist in der Forschung durchaus gängig, zum Beispiel für medizinische Zwecke. In der Regel wird es mit menschlichen Stammzellen als Basis im Labor gezüchtet. Ein sogenanntes Hirnorganoid hat maximal die Größe einer Erbse und ist damit um vieles kleiner als das menschliche Hirn, erklärt Jan Bungartz von den Dlf Wissensnachrichten. Dennoch kann es als eine Art Vorform des Gehirns bezeichnet werden, das elektrische Signale verarbeiten kann.

Die Effizienz des menschlichen Hirns für KI nutzen

Genau diese Tatsache hat sich das Team um Hongwei Cai von der Indiana University in Bloomington zunutze gemacht, als es ein Hirnorganoid mit einer KI verbunden hat. Genannt haben sie es Brainoware. Die Ergebnisse der Studie sind in "Nature Electronics" veröffentlicht worden.

"Die Forschenden konnten zeigen, dass ein menschliches Hirngewebe für die Datenverarbeitung in einem KI-System genutzt werden kann. Das ist so interessant, weil das menschliche Gehirn viel effizienter arbeitet als elektronische Computersysteme."
Jan Bungartz, DLF Wissensnachrichten

In ihrer Studie sendeten die Forschenden über eine Art Elektrodenplatte elektrische Reize an das Hirnorganoid. Die Reaktion des Mini-Hirns wurde dann mit einem Sensor erfasst und mithilfe von Algorithmen für maschinelles Lernen entschlüsselt.

KI-Mini-Hirn-Kombo in Stimmerkennung und Mathematik getestet

Im ersten Experiment ging es um Stimmerkennung. Das mit einer KI verbundene Minihirn wurde mit 240 Aufnahmen von acht japanisch sprechenden Personen trainiert, die in elektrische Muster umgewandelt waren. Das Ziel: Das System sollte die Stimmen auseinanderhalten können. Laut den Forschenden lag die Genauigkeit der KI, eine Stimmprobe zu erkennen, bei 78 Prozent. Im zweiten Experiment ging es darum, mathematische Gleichungen zu lösen. Hier soll Brainoware schneller gelernt haben als andere KI-Systeme.

"Was macht man, wenn so ein Hybrid-System eine Art Bewusstsein entwickelt, hat es dann zum Beispiel Rechte wie ein Mensch?"
Jan Bungartz, Dlf Wissensnachrichten

Was aus Sicht der Wissenschaft hoch spannend und womöglich richtungsweisend sein kann, wirft auf der anderen Seite ethische Fragen auf, erklärt Jan Bungartz. Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina hält beim jetzigen Stand der Entwicklung eine Regelung nicht für nötig. Gleichzeitig geht sie davon aus, dass sich die Forschung in diesem Bereich schnell weiterentwickeln könnte, und ruft daher zur sogenannten wissenschaftsinternen Selbstregulierung auf, "um ethisch, rechtlich oder gesellschaftlich relevante Entwicklungen frühzeitig einschätzen und auf sie reagieren zu können".

Shownotes
Zwischen Ethik und Science-Fiction
Forschende statten KI mit menschlichem Mini-Hirn aus
vom 13. Dezember 2023
Moderation: 
Nik Potthoff
Gesprächspartner: 
Jan Bungartz, DLF Wissensnachrichten