Aerosole sind kleine Viruspartikel in der Luft, die mit der Atemluft ausgestoßen werden. Sie könnten eine größere Rolle bei der Ansteckung mit Covid-19 spielen, als bisher angenommen.

Immer wieder stecken sich Menschen in geschlossenen Räumen mit Covid-19 an, obwohl sie nach eigenen Angaben Abstand gehalten und die Hände desinfiziert haben. Am vergangenen Wochenende wurden zum Beispiel über 100 Neuinfektionen gemeldet, die in Zusammenhang mit einem Gottesdienst in einer Frankfurter Baptistengemeinde stehen. Virologen vermuten, dass Aerosolübertragungen dafür verantwortlich sind.

Aerosole sind kleiner als Tröpfchen. Einerseits bedeutet es, dass sie seltener Viren enthalten, als das bei Tröpfchen der Fall ist. Andererseits fallen Tröpfchen schnell zu Boden, weil sie relativ groß und schwer sind. Aerosole nicht. Sie sind so winzig, dass sie noch eine ganze Zeit in der Luft schweben können – minutenlang, möglicherweise sogar stundenlang. Auf diese Weise könnten sie dann von einer anderen Person wieder eingeatmet werden.

Unterschiedliche Bewertungen

Das Robert Koch-Institut ist noch vorsichtig in der Bewertung. Dort heißt es: Man wisse es noch nicht mit abschließender Sicherheit, aber mehrere Studien zu diesem Thema weisen darauf hin, dass Infektionen über Aerosole möglich sind.

In einer Studie wird zum Beispiel davon berichtet, dass man in einem Raum, in dem Patienten lagen, noch drei Stunden später Aerosole mit Coronaviren in der Luft gefunden hat. Andere Studien zeigen, dass schon durch normales Sprechen Aerosole freigesetzt werden, die Viren enthalten.

Der Virologe Christian Drosten ist in dieser Hinsicht sehr entschieden. Er sagt, man müsse davon ausgehen, dass das neue Coronavirus ebenso häufig über Aerosole übertragen wird, wie über Tröpfcheninfektion. Er plädiert dafür, dass wir im Alltag neben den ganzen Hygienemaßnahmen auch darauf achten, regelmäßig und viel zu Lüften.

"Das Risiko, sich über eine Türklinke, einen Salzstreuer oder andere Gegenstände anzustecken, scheint hingegen gering zu sein."
Christina Sartori, Deutschlandfunk Nova

Um die Ansteckungsgefahr möglichst gering zu halten, reichen Händewaschen und Abstandhalten alleine also nicht aus. Das zeigt auch ein Beispiel aus China: Dort haben sich in einem Restaurant ohne Fenster und mit nur einer Klimaanlage zehn Menschen mit dem neuen Coronavirus angesteckt – und das, obwohl sie nicht dicht beieinander an verschiedenen Tischen saßen. Die Forschenden gehen davon aus, dass sich die Gäste über die Luft angesteckt haben.

Wenige stecken viele an

Dabei vermuten die Forschenden ebenfalls, dass die Übertragung von Sars-CoV-2 hauptsächlich über Superspreader erfolgt, also Infizierte, die eine ungewöhnlich hohe Zahl an Mitmenschen anstecken. Seuchenforschende gehen sogar mittlerweile davon aus, dass die meisten an Covid-19 Erkrankten keine anderen Menschen anstecken, dafür aber zehn Prozent von ihnen für 80 Prozent der Neuansteckungen verantwortlich sind.

Anne Preger, Deutschlandfunk-Nova-Reporterin
"Seuchenforschende gehen bei Sars-CoV-2 inzwischen davon aus, dass die meisten Covid-19-Kranken niemanden anstecken. Und das im Gegenzug zehn Prozent der Kranken für 80 Prozent der Weiterverbreitung verantwortlich sind."

Es scheint also so zu sein, dass einige Erkrankte mehr Corona-Viren in die Luft abgeben als andere. Dies könnte damit zusammenhängen, wie ihr Immunsystem arbeitet oder, dass sie grundsätzlich beim Sprechen mehr Aerosolpartikel abgeben. Genaueres hat die Forschung dazu noch nicht herausgefunden.

Ansteckungsgefahr im Restaurant

Die Medizinjournalistin Christina Sartori empfiehlt deswegen zum Beispiel beim Restaurantbesuch draußen zu sitzen. Oder, wenn das nicht geht, wenigstens einen Platz am geöffneten Fenster zu nehmen. Falls die Fenster geschlossen sind, wäre es gut, wenn es eine Lüftung gibt, die für frische Luft sorgt, um die Menge der Aerosole zu verdünnen, sagt sie.

Das Problem ist natürlich, dass wir als Gast keinen Einfluss darauf haben, und dass wir in einem Restaurant zum Essen den Mund-Nasenschutz abnehmen müssen. Wenn wir uns dabei unterhalten, können sowohl Tröpfchen als auch Aerosole in die Luft geschleudert werden.

Frische Luft verdünnt die Aerosole

Lüften ist also auch deshalb so wichtig, damit ausreichend frische Luft in die Räume kommt, damit sich die Aerosole in der Luft verdünnen. In Flugzeugen, wo man nicht so viel frische Luft zuführen kann, wird die Luft etwa durch spezielle Filter gereinigt, bevor sie wieder in den Kabinenraum kommt. "Wenn die Belüftung aber kaputt ist, und die Luft einfach von einem Raum in den anderen Raum gepustet wird, ist das schlecht," sagt Christina Sartori. Damals während der Sars-Epidemie soll es auf diese Weise in einem Wohnblock zu über hundert Ansteckungen gekommen sein.

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de

Shownotes
Coronavirus
Aerosole: Warum Lüften wichtig ist
vom 25. Mai 2020
Gesprächspartnerin: 
Christina Sartori, Deutschlandfunk Nova
Moderator: 
Ralph Günther