Wer etwas über seine Verwandten erfahren will, nimmt Kontakt zu Ahnenforschern auf. Die brauchen zur Analyse genetisches Material. Okay soweit. Unsere DNA enthält aber Daten, die für Pharmaunternehmen Gold wert- und deshalb sehr begehrt sind.

Wer schon einmal etwas mit Ahnenforschung zu tun hatte, weiß: Das ist eigentlich ganz simpel - ein bisschen Spucke ins Röhrchen reicht schon, um beispielsweise zu erfahren, dass man in Südamerika einen Onkel hat.

Um das herauszufinden, schauen sich Forscher im Labor unser genetisches Material an. Während uns in der Regel nur das Ergebnis interessiert - also der Onkel - sind Pharmaunternehmen aber sehr an unserem Datensatz interessiert. Der Markt, auf dem diese Daten gehandelt werden, ist so riesig wie lukrativ. 

DNA-Daten geben Aufschluss über Krankheitsrisiken

Wissenschaftsjournalist Michael Stang hat vor fünf Jahren mal einen Gentest für 99 Dollar bei der Googletochter 23andMe gemacht. Damals war gerade frisch nachgewiesen worden, dass Neandertaler mit dem Homo Sapiens gemeinsamen Nachwuchs bekommen haben und Ziel des Tests war es herauszufinden, wie viel Neandertaler in ihm steckt. - Ergebnis: Etwas mehr als vier Prozent, also leicht über europäischem Durchschnitt. Aber das nur am Rande. 

Viel spannender ist, dass noch haufenweise mehr Daten herausgefiltert wurden - wodurch er nachvollziehen kann, wie hoch sein statistisches Risiko ist, bestimmte Krankheiten zu bekommen. 

Kunden geben die Hoheit über ihre Daten ab

Diese Informationen werden an Kunden inzwischen nicht mehr weitergegeben. Durch diverse gerichtliche Entscheide hat die amerikanische Lebensmittel- und Pharmaaufsichtsbehörde der Firma 23andMe verboten, Informationen über Krankheitsrisiken wie Parkinson oder Alzheimer weiter zu leiten. Die Daten liegen aber weiterhin auf dem Server. 

Verändert hat sich ebenfalls unsere Hoheit über die eigenen Daten. Neue Kunden haben jetzt kein Recht mehr, dem Handel mit den eigenen Daten zu widersprechen. 

"Wenn man einmal seine Speichelprobe abgegeben hat, das Genom also sequenziert wurde, sind die Daten in der Pharmaforschung gelandet."
Michael Stang, Wissenschaftsjournalist, über den Handel mit DNA-Daten

Aus Datenpool können neue Märkte erschlossen werden

Wie interessant unsere DNA-Daten für die Pharmaindustrie sind, zeigt der jüngste Deal zwischen 23andMe und dem Pharma-Riesen GlaxoSmithKline. Die haben nämlich 300 Millionen Dollar für einen auf vier Jahre begrenzten Zugang zu den fünf Millionen Kundendaten von 23andMe gezahlt. Das Ziel ist es, anhand dieser Daten Rückschlüsse zu ziehen, welche Märkte künftig lukrativ sein werden. Sprich, wofür es sich lohnt, neue Medikamente oder Kosmetika zu entwickeln. 

Der Datenpool von 23andMe ist zusätzlich angereichert durch Erkenntnisse, die die Google-Tochter durch Umfragen herausbekommen hat. GlaxoSmithKline hat also nicht nur Einblick in Daten über Geschlecht, Alter, Größe, Herkunft, sowie Krankheitsrisiken wie Parkinson, Nierenkrebs oder Haarausfall, sondern sie wissen auch über unsere Lebensgewohnheiten Bescheid - also, wie viel Kaffee oder Alkohol wir trinken, wann wir ins Bett gehen, wie viel wir schlafen und so weiter. 

Wer DNA-Tests machen lässt, sollte die AGB lesen

Den Pharmaunternehmen geht es weiniger um die einzelne Person, als um die Masse, die Grundlage für statische Werte ist. Aber klar, je mehr Daten die jeweiligen Kunden hinterlassen, desto konkreter wird das persönliche Profil.  

"Mittlerweile dürfte diese DNA-Datenbank von 23andMe eine Gelddruckmaschine sein, denn besser aufgearbeitete Profile gibt es kaum."
Michael Stang, Wissenschaftsjournalist, über den Handel mit DNA-Daten

Wer also einfach nur herausfinden möchte, ob er einen Onkel in Südamerika hat, sollte sich die Allgemeinen Geschäftsbedingungen gründlich durchlesen, denn die jeweiligen Firmen handhaben das unterschiedlich. Neue Startups bieten Kunden beispielsweise an, ihre Rechte an den eigenen DNA-Daten selbst zu kaufen, um sie gegebenenfalls selbst an Pharmaunternehmen weiter zu verkaufen.  

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vom 16. August 2018
Moderator: 
Markus Dichmann
Gesprächspartner: 
Michael Stang, Wissenschaftsjournalist