Stellt euch vor, ihr seid krank, habt zum Beispiel Grippe, und plötzlich steht euer Chef vor der Tür. Bei Tesla in Grünheide geschah genau das. Der Personalchef besuchte Mitarbeitende zu Hause. Der Grund: Der Krankenstand war sehr hoch. Doch darf er das?

Die kurze Antwort lautet: Ja, aber nur unter bestimmten Bedingungen. Etwa wenn ein begründeter Verdacht besteht, dass die Krankheit vorgetäuscht wird, erklärt Mareike Curtze, Fachanwältin für Arbeitsrecht aus Hamburg.

"Wenn der Arbeitgeber einen begründeten Verdacht hat, dass die Krankheit nur vorgetäuscht ist, darf er vorbeikommen.“
Mareike Curtze, Fachanwältin für Arbeitsrecht aus Hamburg

Ein solcher Verdacht könnte etwa entstehen, wenn sich jemand regelmäßig an Montagen oder Freitagen krankmeldet. Allerdings betont die Expertin. Der Arbeitnehmer sei allerdings nicht verpflichtet, den Chef ins Haus zu lassen.

"Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, den Chef ins Haus oder auf das Grundstück zu lassen.“
Mareike Curtze, Fachanwältin für Arbeitsrecht aus Hamburg

Es gilt der Grundsatz: Niemand muss die Tür öffnen.

Hohe Fehlzeiten als Begründung

Tesla begründet die drastische Maßnahme mit einem Anstieg der Fehlzeiten im Werk. Besonders freitags und während der Spätschicht hätten sich auffällig viele Mitarbeitende krankgemeldet. Werksleiter André Thierig erklärte in einer Betriebsversammlung, einige Mitarbeitende nutzten das System womöglich aus.

Über den Fall hatte zunächst das Handelsblatt berichtet, der Zeitung liegt auch eine Tonaufnahme der Betriebsversammlung vor.

Laut Tesla seien über 200 Personen seit Jahresbeginn immer wieder krank gewesen, einige sogar alle sechs Wochen mit neuen Krankmeldungen.

Daraufhin wurden 30 Mitarbeitende ausgewählt und besucht. Doch die meisten seien gar nicht angetroffen worden, andere hätten die Tür direkt wieder geschlossen oder gedroht, die Polizei zu rufen.

Kritik von der IG Metall

Während laut Tesla, die Mehrheit der Belegschaft den Krankenbesuch befürwortete, da sie unter den häufigen Ausfällen leide, sieht die Gewerkschaft IG Metall das anders.

Sie kritisiert die Besuche scharf und erklärt, die hohen Krankheitszahlen hätten weniger mit Fehlverhalten zu tun, sondern mit den extrem harten Arbeitsbedingungen im Werk. Dieser Druck treffe nicht nur die kranken, sondern auch die gesunden Mitarbeitenden.

Konsequenzen bei Betrug

Aber was passiert, wenn sich herausstellt, dass die Krankheit wirklich nur vorgetäuscht ist? "Wenn der Verdacht nachweisbar ist, kann das zu einer fristlosen Kündigung führen", sagt Mareike Curtze.

"Wenn der Verdacht nachweisbar ist, kann das zu einer fristlosen Kündigung führen."
Mareike Curtze, Fachanwältin für Arbeitsrecht aus Hamburg.

Das gilt besonders dann, wenn die Krankheit offensichtlich nicht der Realität entspricht – etwa, wenn jemand mit einem gebrochenen Bein krankgeschrieben ist, aber sich völlig frei bewegt.

In einem solchen Fall könne der Arbeitgeber den Lohn zurückfordern und sogar strafrechtliche Schritte einleiten, da es sich um Betrug handele.

Shownotes
Arbeitnehmerrechte
Was darf der Arbeitgeber bei einer Krankschreibung wissen?
vom 27. September 2024
Moderatorin: 
Jenni Gärtner, Thilo Jahn
Gesprächspartner: 
Jan Dahlmann, Deutschlöandfunk-Nova-Reporter
Expertin: 
Mareike Curtze, Fachanwältin für Arbeitsrecht aus Hamburg