Vor 75 Jahren wurde die Atombombe über Hiroshima abgeworfen – und forderte das Leben von über 100.000 Menschen, viele weitere Opfer folgten. Mit heutigen Nuklearwaffen wäre das Ausmaß der Zerstörung noch größer. Doch eine Abrüstung ist nicht in Sicht.

Die Bilder von Hiroshima haben wir alle im Kopf – ein furchterregendes Ausmaß der Zerstörung. Auch heute besitzen noch etliche Staaten Atombomben, wie beispielsweise die USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich, Indien und Pakistan. Die potentielle Zerstörungskraft dieser nuklearen Waffen dürfte aber um ein vielfaches höher sein, als die Atombomben damals.

"Diese Waffen sind mit den damaligen Bomben nicht mehr zu vergleichen", sagt Ulrich Kühn. Er ist Leiter des Forschungsbereichs für Rüstungskontrolle und neue Technologien am Institut für Friedensforschung.

"Die damaligen Bomben waren im Vergleich zu heute technisch sehr primitiv."
Ulrich Kühn, Leiter des Forschungsbereichs Rüstungskontrolle und neue Technologien

Er sagt: Die damaligen Bomben waren im Vergleich zu heute technisch sehr primitiv. Sie mussten noch mit Flugzeugen an den Abwurf-Ort gebracht werden. Heute gibt es ganz andere Formen von Trägermitteln: Interkontinental-Raketen, Marschflugkörper und hypersonische Gleitflugkörper, die mit Hyperschallgeschwindigkeit an ihr Ziel gelangen können.

Nuklearwaffen sind heute zielgenauer und stärker

Außerdem sind neue Nuklearwaffen sehr viel zielgenauer als ihre Vorgänger – und wenn gewünscht auch sehr viel stärker, sagt Ulrich Kühn. Im zweiten Weltkrieg lieferten die USA und die Sowjetunion sich einen Wettstreit um die immer stärkere Atombombe: Die Sowjetunion zündete mit der Zar Bomba eine Bombe, die 1.000 mal stärker war, als diejenige, die über Hiroshima abgeworfen wurde.

Übertrumpfungsversuche gehen zurück

Heute finden Wettläufe in diesem Ausmaß nicht mehr statt, sagt Ulrich Kühn. Die neuen Sprengkörper werden als „kleine Sprengkörper“ bezeichnet. Doch die Bezeichnung darf nicht täuschen: Die Sprengkraft dieser Waffen ist immer noch so stark wie bei den Bomben von Hiroshima und Nagasaki.

Neue Studie sagt nuklearen Winter voraus

Alan Robock von der Rutgers University beschrieb in einer neuen Studie, was passieren könnte, sollten Indien und Pakistan ihr Atomarsenal einsetzen. Schon bei einem nuklearen Austausch, bei dem auf jeder Seite 60 bis 80 Sprengköpfe abgeworfen würden, könnten die Folgeschäden dazu führen, dass sich das Klima regional verändert.

Der Himmel wäre für ein bis zwei Jahre verdunkelt – ein "nuklearer Winter". Viele Flächen in Ost-Asien, vor allem auch in China, würden darunter leiden und zu massiven Ernteausfällen führen. Das Szenario geht von bis zu einer Milliarde Menschen aus, die dadurch ums Leben kommen könnten.

"Nukleare Waffen sind die Währung der Großmächte."
Ulrich Kühn, Leiter des Forschungsbereichs Rüstungskontrolle und neue Technologien

Ulrich Kühn glaubt nicht, dass eine Abrüstung in nächster Zeit wahrscheinlich ist. Die Staaten seien wieder in einen Zyklus eingetreten, in dem sie um mehr Macht ringen und diplomatische Konfliktlösungen in den Hintergrund treten. Nukleare Waffen seien heute die Währung der Großmächte. Seine Vermutung: Die Lage werde sich eher verschärfen. Eine Abrüstung ist in seinen Augen darum notwendig – auch wenn seit 75 Jahren keine Atomwaffe eingesetzt wurde.

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Shownotes
Nukleare Waffen
Atombomben sind explosiver denn je
vom 06. August 2020
Moderator: 
Ralph Günther
Gesprächspartner: 
Ulrich Kühn, Leiter am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg