Die Reisewelle sowie das 9-Euro-Ticket verschaffen der Deutschen Bahn gerade außerordentlich viele Mitfahrer*innen. Das Problem dabei: Das Personal fehlt.
Von der Bahn heißt es, die steigende Zahl der Coronafälle sei schuld daran, dass gerade so wenig Personal zur Verfügung steht. Gewerkschaften machen hingegen die Bahn-Personalpolitik ab 1994 für die aktuellen Zustände verantwortlich. Sie sagen: Die Bahn hat "einen strukturellen Personalmangel".
Lukas Mayer ist bei der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG aktiv. Dort betreut der 25-Jährige den Nachwuchs bei der Bahn, die Auszubildenden. Zuvor arbeitete er im Kundenservice der Deutschen Bahn (DB).
Frustration und Aggression bei DB-Reisenden
Positiv ausgedrückt sei die Stimmung in der Belegschaft sehr durchwachsen. Ihm werde von Krankheitswellen und massiven Überstunden berichtet. Bei Reisenden häufen sich Frustration und Aggression über die Situation während einer Bahnreise. Grundsätzlich sei es im Interesse von jedem, gut von A nach B zu kommen. Wenn die Angestellten der Bahn bespuckt würden oder als Sündenböcke herhalten müssten, gehe das aber zu weit. Stimmen aus dem Bahn-Tower, es gebe keinen Personalmangel, empfindet Lukas Mayer deshalb auch als zynisch.
"Ich glaube den Kolleg*innen wenn sie sagen: Da muss echt was passieren. Das ist eine Katastrophe."
Bis 1994 hätte die Bahn einen relativ großen Personalpool gehabt, aber seit dieser Zeit gehe es bergab. Da Ausschreibungswettbewerbe für Regiostrecken teuer seien, müsse die Bahn sparen. Das macht sie Lukas Mayer zufolge beim Personal.
"Es zählt jeder Cent. Weil beim Personal die höchsten Kosten sind, wird dort als erstes gespart."
Grundsätzlich müsse bei der Bahn mehr Personal her, um die viel beschworene Verkehrswende zu schaffen, so Lukas Mayer. In der aktuellen Situation stellt sich aber natürlich die Frage, wie attraktiv die Bahn als Arbeitgeber ist. Nach Lukas Mayers Einschätzung sei die Qualität der Ausbildung weiterhin hoch. Das System sei allerdings nicht dafür ausgelegt, mit deutlich wachsenden Fahrgastzahlen umzugehen, wenn der öffentliche Personennahverkehr, wie politisch gefordert, in naher Zukunft ausgebaut wird.
Das 9-Euro-Ticket hält Lukas Mayer grundsätzlich für eine gute Idee. Weil es das komplexe Tarifsystem und die oft überhöhten und vor allem überall unterschiedlichen Preise abschaffe. Es habe Barrieren eingerissen und sei ökologisch sinnvoll. Das Problem: Die Idee sei ein Schnellschuss - und das System des öffentlichen Personennahverkehrs nicht darauf ausgelegt worden.