Erst eine tödliche Messerstecherei, dann Ausschreitungen und ausländerfeindliche Gewalt: Die Reaktion auf die Straftat in Chemnitz und ihre Instrumentalisierung gehören zu einer Kette bedenklicher Ereignisse in Sachsen. Wir haben mit einem Beobachter der rechten Szene und einer Journalistin gesprochen.

Im sächsischen Chemnitz gibt es seit Tagen Ausschreitungen. Auslöser war der gewaltvolle Tod eines 35-jährigen Deutschen in der Nacht zum 26. August. Zwei junge Männer aus Syrien und dem Irak sitzen deswegen in Untersuchungshaft. Erste fremdenfeindliche Demonstrationen gab es am Abend des 26. August, dabei wurden auch Menschen mit ausländischem Aussehen angegriffen und gejagt.

Angereiste Rechtsextreme in Chemnitz

Am Abend des 27. August nahmen nach Polizeiangaben 6000 Menschen an einer Demonstration der rechten Pro-Chemnitz-Bewegung teil. Ihnen gegenüber standen rund 1500 Gegendemonstranten. Die Veranstaltung wurde organisiert von der Partei Die Linke.

Bei Zusammenstößen und direkten Angriffen wurden 20 Menschen verletzt. Unter den Rechten befanden sich laut Behörden aus anderen Bundesländern angereiste gewaltbereite Rechtsextreme, Hooligans und andere Angehörige der Fußballszene. Über diese Gruppen haben wir mit dem freiberuflichen Journalisten Tim Mönch – gesprochen. Er beobachtet die Rechte Szene beruflich und sagt, dass er eine so große Zahl offen gezeigter verfassungsfeindlicher Symbole bisher noch nie gesehen hat.

"Verfassungsfeindliche Symbole wurden sehr offen gezeigt. In dieser Form habe ich das noch nicht erlebt."
Tim Mönch, freiberuflicher Journalist und Beobachter der Rechten Szene

Nach den neuen Ausschreitungen geriet die Polizei wegen des Vorwurfs mangelnder Einsatzplanung in die Kritik. Den eingesetzten knapp 600 Beamten standen weit mehr Demonstranten gegenüber als angenommen.

Stimmungsbild aus Chemnitz

Nur wenige Chemnitzer Bürger waren auf einer der beiden Seiten überhaupt an den Demonstrationen beteiligt. Die Stadt hat rund 250.000 Einwohner. Die Journalistin Sabine Schön hat für uns die Stimmung in der Stadt beobachtet. Viele Menschen in Chemnitz seien erschrocken und würden sich schämen. Sie machten sich Sorgen um das Bild, das die überregionale Öffentlichkeit sich nun von der Stadt macht, sagt Sabine Schön. Das ganze Gespräch mit ihr, könnt ihr hier anhören.

Sabine Schön, Journalistin für den MDR
"Man ist doch sehr erschrocken, über das, was in den letzten Tagen passiert ist. Auch diese Hetzjagd in den Straßen von Chemnitz. Damit hat man wirklich nicht gerechnet. Das ist schon sehr extrem."

Die Ausschreitungen in Chemnitz haben auch in der Bundespolitik zu Reaktionen geführt. Der Regierungssprecher Steffen Seibert verurteilte Hetzjagden und Zusammenrottungen scharf. In dem folgenden Videotweet ab Minute 0:40.

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Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerte sich persönlich. Sie sagte, es dürfe auf keinem Platz und auf keiner Straße zu solchen Ausschreitungen kommen.

Justizministerin Katarina Barley (SPD) warnte vor rechtsfreien Räumen und forderte ein Durchgreifen der Behörden in Sachsen.
Nach Angaben der Polizei wurden nach den Ereignissen vom Montag bisher 43 Strafanzeigen gestellt (Stand 28. August), unter anderem wegen Zeigens des Hitlergrußes.

Über die aktuelle Lage in Chemnitz informieren unsere Nachrichten und Dlf24.de.

Mehr zu Extremismus und Rechtsstaat bei Deutschlandfunk Nova:

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Shownotes
Ausschreitungen in Chemnitz
Offener Fremdenhass und zu wenig Polizei
vom 28. August 2018
Moderator: 
Thilo Jahn
Gesprächspartner: 
Tim Mönch, freiberuflicher Journalist und Beobachter der Rechten Szene
Gesprächspartnerin: 
Sabine Schön, Journalistin